Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 228 |
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01 | ist (z. B. in Processen oder im Beginnen gewisser Handlungsplane zu | ||||||
02 | demselben Zweck)? Hiezu giebt es ein Talent der Auswahl des in einem | ||||||
03 | gewissen Falle gerade Zutreffenden ( iudicium discretivum ), welches sehr | ||||||
04 | erwünscht, aber auch sehr selten ist. Der Advocat, der mit viel Gründen | ||||||
05 | angezogen kommt, die seine Behauptung bewähren sollen, erschwert dem | ||||||
06 | Richter sehr seine Sentenz, weil er selbst nur herumtappt; weiß er aber | ||||||
07 | nach der Erklärung dessen, was er will, den Punkt zu treffen (denn der ist | ||||||
08 | nur ein einziger), worauf es ankommt, so ist es kurz abgemacht, und der | ||||||
09 | Spruch der Vernunft folgt von selbst. | ||||||
10 | Der Verstand ist positiv und vertreibt die Finsterniß der Unwissenheit | ||||||
11 | die Urtheilskraft mehr negativ zu Verhütung der Irrthümer aus | ||||||
12 | dem dämmernden Lichte, darin die Gegenstände erscheinen. - Die Vernunft | ||||||
13 | verstopft die Quelle der Irrthümer (die Vorurtheile) und sichert | ||||||
14 | hiemit den Verstand durch die Allgemeinheit der Principien. - - Büchergelehrsamkeit | ||||||
15 | vermehrt zwar die Kenntnisse, aber erweitert nicht den Begriff | ||||||
16 | und die Einsicht, wo nicht Vernunft dazu kommt. Diese ist aber | ||||||
17 | noch vom Vernünfteln, dem Spiel mit bloßen Versuchen im Gebrauche | ||||||
18 | der Vernunft ohne ein Gesetz derselben, unterschieden. Wenn die Frage | ||||||
19 | ist, ob ich Gespenster glauben soll, so kann ich über die Möglichkeit derselben | ||||||
20 | auf allerlei Art vernünfteln; aber die Vernunft verbietet, | ||||||
21 | abergläubisch, d. i. ohne ein Princip der Erklärung des Phänomens | ||||||
22 | nach Erfahrungsgesetzen, die Möglichkeit desselben anzunehmen. | ||||||
23 | Durch die große Verschiedenheit der Köpfe, in der Art wie sie eben | ||||||
24 | dieselben Gegenstände, imgleichen sich untereinander ansehen, durch das | ||||||
25 | Reiben derselben an einander und die Verbindung derselben sowohl als | ||||||
26 | ihre Trennung bewirkt die Natur ein sehenswürdiges Schauspiel auf der | ||||||
27 | Bühne der Beobachter und Denker von unendlich verschiedener Art. Für | ||||||
28 | die Klasse der Denker können folgende Maximen (die als zur Weisheit | ||||||
29 | führend bereits oben erwähnt worden) zu unwandelbaren Geboten gemacht | ||||||
30 | werden: | ||||||
31 | 1) Selbst denken. | ||||||
32 | 2) Sich (in der Mittheilung mit Menschen) in die Stelle jedes Anderen | ||||||
33 | zu denken. | ||||||
34 | 3) Jederzeit mit sich selbst einstimmig zu denken. | ||||||
35 | Das erste Princip ist negativ ( nullius addictus iurare in verba Magistri ), | ||||||
36 | das der zwangsfreien; das zweite positiv, der liberalen, sich | ||||||
37 | den Begriffen Anderer bequemenden; das dritte der consequenten (folgerechten) | ||||||
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