Kant: AA VII, Der Streit der ... , Seite 073 |
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01 | eingeschränkt; da hingegen der freie Wille völlig unabhängig ist und einzig | ||||||
02 | durch das innere Gesetz bestimmt werden soll: d. h. der Mensch bloß durch | ||||||
03 | sich selbst, sofern er sich nur zu seiner ursprünglichen Würde und Unabhängigkeit | ||||||
04 | von allem, was nicht das Gesetz ist, erhoben hat. Wenn also | ||||||
05 | dieser unser Verstand ohne diese seine Außendinge nichts, wenigstens nicht | ||||||
06 | dieser Verstand sein würde, so bleiben Vernunft und freier Wille dieselben, | ||||||
07 | ihr Wirkungskreis sei, welcher er wolle. (Sollte hier der freilich hyperphysische | ||||||
08 | Schluß wohl mit einiger Wahrscheinlichkeit gemacht werden können: | ||||||
09 | " daß mit dem Tode des Menschenkörpers auch dieser sein Verstand | ||||||
10 | stirbt und verloren geht mit allen seinen irdischen Vorstellungen, Begriffen | ||||||
11 | und Kenntnissen: weil doch dieser Verstand immer nur für irdische, sinnliche | ||||||
12 | Dinge brauchbar ist, und, sobald der Mensch ins Übersinnliche sich | ||||||
13 | versteigen will, hier sogleich aller Verstandesgebrauch aufhört, und der | ||||||
14 | Vernunftgebrauch dagegen eintritt"? Es ist dieses eine Idee, die ich nachher | ||||||
15 | auch bei den Mystikern, aber nur dunkel gedacht, nicht behauptet gefunden | ||||||
16 | habe, und die gewiß zur Beruhigung und vielleicht auch moralischen | ||||||
17 | Verbesserung vieler Menschen beitragen würde. Der Verstand hängt | ||||||
18 | so wenig wie der Körper vom Menschen selbst ab. Bei einem fehlerhaften | ||||||
19 | Körperbau beruhigt man sich, weil man weiß, er ist nichts Wesentliches | ||||||
20 | - ein gutgebaueter Körper hat nur hier auf der Erde seine Vorzüge. | ||||||
21 | Gesetzt, die Idee würde allgemein, daß es mit dem Verstande eben so wäre, | ||||||
22 | sollte das nicht für die Moralität der Menschen ersprießlich sein? Die | ||||||
23 | neuere Naturlehre des Menschen harmonirt sehr mit dieser Idee, indem | ||||||
24 | sie den Verstand bloß als etwas vom Körper Abhängiges und als ein | ||||||
25 | Product der Gehirnwirkung ansieht. S. Reils physiologische Schriften. | ||||||
26 | Auch die ältern Meinungen von der Materialität der Seele ließen sich | ||||||
27 | hierdurch auf etwas Reales zurückbringen.) | ||||||
28 | Der fernere Verlauf der kritischen Untersuchung der menschlichen | ||||||
29 | Seelenvermögen stellte die natürliche Frage auf: hat die unvermeidliche | ||||||
30 | und nicht zu unterdrückende Idee der Vernunft von einem Urheber des | ||||||
31 | Weltalls und also unserer selbst und des moralischen Gesetzes auch wohl | ||||||
32 | einen gültigen Grund, da jeder theoretische Grund seiner Natur nach untauglich | ||||||
33 | zur Befestigung und Sicherstellung jener Idee ist? Hieraus entstand | ||||||
34 | der so schöne moralische Beweis für das Dasein Gottes, der jedem, | ||||||
35 | auch wenn er nicht wollte, doch insgeheim auch deutlich und hinlänglich | ||||||
36 | beweisend sein muß. Aus der durch ihn nun begründeten Idee von einem | ||||||
37 | Weltschöpfer aber ging endlich die praktische Idee hervor von einem allgemeinen | ||||||
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