Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 444

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 selbst gemacht wird, so haben wir hiebei nicht ein gegebenes Wesen vor      
  02 uns, gegen welches uns Verpflichtung obläge: denn da müßte dessen      
  03 Wirklichkeit allererst durch Erfahrung bewiesen (geoffenbart) sein; sondern      
  04 es ist Pflicht des Menschen gegen sich selbst, diese unumgänglich der Vernunft      
  05 sich darbietende Idee auf das moralische Gesetz in uns, wo es von      
  06 der größten sittlichen Fruchtbarkeit ist, anzuwenden. In diesem (praktischen)      
  07 Sinn kann es also so lauten: Religion zu haben ist Pflicht des      
  08 Menschen gegen sich selbst.      
           
  09
Der Pflichten gegen sich selbst
     
           
  10

Zweites Buch.

     
  11

Von den unvollkommenen Pflichten des Menschen gegen sich

     
  12

selbst (in Ansehung seines Zwecks).

     
           
  13

Erster Abschnitt.

     
  14

Von der Pflicht gegen sich selbst in Entwickelung und

     
  15

Vermehrung seiner Naturvollkommenheit, d. i. in pragmatischer

     
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Absicht.

     
           
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§ 19.
     
           
  18 Der Anbau ( cultura ) seiner Naturkräfte (Geistes=, Seelen= und Leibeskräfte)      
  19 als Mittel zu allerlei möglichen Zwecken ist Pflicht des Menschen      
  20 gegen sich selbst. - Der Mensch ist es sich selbst (als einem Vernunftwesen)      
  21 schuldig, die Naturanlage und Vermögen, von denen seine      
  22 Vernunft dereinst Gebrauch machen kann, nicht unbenutzt und gleichsam      
  23 rosten zu lassen, sondern, gesetzt daß er auch mit dem angebornen Ma      
  24 seines Vermögens für die natürlichen Bedürfnisse zufrieden sein könne,      
  25 so muß ihm doch seine Vernunft dieses Zufriedensein mit dem geringen      
  26 Maß seiner Vermögen erst durch Grundsätze anweisen, weil er als      
  27 ein Wesen, das der Zwecke (sich Gegenstände zum Zweck zu machen) fähig      
  28 ist, den Gebrauch seiner Kräfte nicht blos dem Instinct der Natur, sondern      
  29 der Freiheit, mit der er dieses Maß bestimmt, zu verdanken haben      
  30 muß. Es ist also nicht Rücksicht auf den Vortheil, den die Cultur      
           
     

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