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Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 433 |
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Text (Kant): |
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01 |
keines derselben für sich brauchen zu wollen und sich so des angenehmen |
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02 |
Lebensgenusses zu berauben: welches der Pflicht gegen sich selbst in Ansehung |
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03 |
des Zwecks gerade entgegengesetzt ist.*) Verschwendung und Kargheit |
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04 |
sind also nicht durch den Grad, sondern specifisch durch die entgegengesetzte |
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05 |
Maximen von einander unterschieden. |
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06 |
Casuistische Fragen. |
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07 |
Da hier nur von Pflichten gegen sich selbst die Rede ist und Habsucht |
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08 |
(Unersättlichkeit im Erwerb), um zu verschwenden, eben so wohl als Knauserei |
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09 |
(Peinlichkeit im Verthun) Selbstsucht ( solipsismus ) zum Grunde |
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*) Der Satz: man soll keiner Sache zu viel oder zu wenig thun, sagt so viel als nichts; denn er ist tautologisch. Was heißt zu viel thun? Antw. mehr als gut ist. Was heißt zu wenig thun? Antw. Weniger thun, als gut ist. Was heißt: ich soll (etwas thun oder unterlassen)? Antw. Es ist nicht gut (wider die Pflicht) mehr oder auch weniger zu thun, als gut ist. Wenn das die Weisheit ist, die zu erforschen wir zu den Alten (dem Aristoteles), gleich als solchen, die der Quelle näher waren, zurückkehren sollen: virtus consistit in medio, medium tenuere beati est modus in rebus, sunt certi denique fines, quos ultra citraque nequit consistere rectum , so haben wir schlecht gewählt, uns an ihr Orakel zu wenden. - Es giebt zwischen Wahrhaftigkeit und Lüge (als Contradictorie oppositis ) kein Mittleres: aber wohl zwischen Offenherzigkeit und Zurückhaltung (als contrarie oppositis ), da an dem, welcher seine Meinung erklärt, Alles, was er sagt, wahr ist, er aber nicht die ganze Wahrheit sagt. Nun ist doch ganz natürlich von dem Tugendlehrer zu fordern, daß er mir dieses Mittlere anweise. Das kann er aber nicht; denn beide Tugendpflichten haben einen Spielraum der Anwendung ( latitudinem ), und was zu thun sei, kann nur von der Urtheilskraft nach Regeln der Klugheit (den pragmatischen), nicht denen der Sittlichkeit (den moralischen), d. i. nicht als enge ( officium strictum ), sondern nur als weite Pflicht ( officium latum ) entschieden werden. Daher der, welcher die Grundsätze der Tugend befolgt, zwar in der Ausübung im Mehr oder Weniger, als die Klugheit vorschreibt, einen Fehler ( peccatum ) begehn, aber nicht darin, daß er diesen Grundsätzen mit Strenge anhänglich ist, ein Laster ( vitium ) ausüben, und Horazens Vers: insani sapiens nomen habeat aequus iniqui, ultra quam satis est virtutem si petat ipsam , ist, nach dem Buchstaben genommen, grundfalsch. Sapiens bedeutet hier wohl nur einen gescheuten Mann ( prudens ), der sich nicht phantastisch Tugendvollkommenheit denkt, die als Ideal zwar die Annäherung zu diesem Zwecke, aber nicht die Vollendung fordert, als welche Forderung die menschlichen Kräfte übersteigt und Unsinn (Phantasterei) in ihr Princip hinein bringt. Denn gar zu tugendhaft, d. i. seiner Pflicht gar zu anhänglich, zu sein, würde ungefähr so viel sagen als: einen Circel gar zu rund, oder eine gerade Linie gar zu gerade machen. |
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