Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 425 |
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01 | Gegenstand, sondern durch die Einbildung von demselben, also zweckwidrig, | ||||||
02 | ihn sich selbst schaffend, gereizt wird. Denn sie bewirkt alsdann | ||||||
03 | eine Begierde wider den Zweck der Natur und zwar einen noch wichtigern, | ||||||
04 | als selbst der der Liebe zum Leben ist, weil dieser nur auf Erhaltung des | ||||||
05 | Individuum, jener aber auf die der ganzen Species abzielt. | ||||||
06 | Daß ein solcher naturwidrige Gebrauch (also Mißbrauch) seiner Geschlechtseigenschaft | ||||||
07 | eine und zwar der Sittlichkeit im höchsten Grad widerstreitende | ||||||
08 | Verletzung der Pflicht wider sich selbst sei, fällt jedem zugleich | ||||||
09 | mit dem Gedanken von demselben sofort auf, erregt eine Abkehrung von | ||||||
10 | diesem Gedanken, in der Maße, daß selbst die Nennung eines solchen Lasters | ||||||
11 | bei seinem eigenen Namen für unsittlich gehalten wird, welches bei dem | ||||||
12 | des Selbstmords nicht geschieht; den man mit allen seinen Greueln (in | ||||||
13 | einer Species facti ) der Welt vor Augen zu legen im mindesten kein Bedenken | ||||||
14 | trägt; gleich als ob der Mensch überhaupt sich beschämt fühle, einer | ||||||
15 | solchen ihn selbst unter das Vieh herabwürdigenden Behandlung seiner | ||||||
16 | eigenen Person fähig zu sein: so daß selbst die erlaubte (an sich freilich | ||||||
17 | blos thierische) körperliche Gemeinschaft beider Geschlechter in der ehe | ||||||
18 | im gesitteten Umgange viel Feinheit veranlaßt und erfordert, um einen | ||||||
19 | Schleier darüber zu werfen, wenn davon gesprochen werden soll. | ||||||
20 | Der Vernunftbeweis aber der Unzulässigkeit jenes unnatürlichen und | ||||||
21 | selbst auch des blos unzweckmäßigen Gebrauchs seiner Geschlechtseigenschaften | ||||||
22 | als Verletzung (und zwar, was den ersteren betrifft, im höchsten | ||||||
23 | Grade) der Pflicht gegen sich selbst ist nicht so leicht geführt. - Der Beweisgrund | ||||||
24 | liegt freilich darin, daß der Mensch seine Persönlichkeit dadurch | ||||||
25 | (wegwerfend) aufgiebt, indem er sich blos zum Mittel der Befriedigung | ||||||
26 | thierischer Triebe braucht. Aber der hohe Grad der Verletzung der | ||||||
27 | Menschheit in seiner eigenen Person durch ein solches Laster in seiner Unnatürlichkeit, | ||||||
28 | da es der Form (der Gesinnung) nach selbst das des Selbstmordes | ||||||
29 | noch zu übergehen scheint, ist dabei nicht erklärt. Es sei denn, | ||||||
30 | daß, da die trotzige Wegwerfung seiner selbst im letzteren, als einer | ||||||
31 | Lebenslast, wenigstens nicht eine weichliche Hingebung an thierische Reize | ||||||
32 | ist, sondern Muth erfordert, wo immer noch Achtung für die Menschheit | ||||||
33 | in seiner eigenen Person Platz findet, jene, welche sich gänzlich der thierischen | ||||||
34 | Neigung überläßt, den Menschen zu genießbaren, aber hierin doch | ||||||
35 | zugleich naturwidrigen Sache, d. i. zum ekelhaften Gegenstande, macht | ||||||
36 | und so aller Achtung für sich selbst beraubt. | ||||||
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