Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 382

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 besteht.*) - Wie ist aber ein solcher Zweck möglich? das ist jetzt die Frage.      
  02 Denn die Möglichkeit des Begriffs von einer Sache (daß er sich nicht      
  03 widerspricht) ist noch nicht hinreichend dazu, um die Möglichkeit der Sache      
  04 selbst (die objective Realität des Begriffs) anzunehmen.      
           
  05

II

     
  06

Erörterung des Begriffs von einem Zwecke, der

     
  07

zugleich Pflicht ist.

     
           
  08 Man kann sich das Verhältniß des Zwecks zur Pflicht auf zweierlei      
  09 Art denken: entweder, von dem Zwecke ausgehend, die Maxime der      
  10 pflichtmäßigen Handlungen, oder umgekehrt, von dieser anhebend, den      
  11 Zweck ausfindig zu machen, der zugleich Pflicht ist. - Die Rechtslehre      
  12 geht auf dem ersten Wege. Es wird jedermanns freier Willkür überlassen,      
  13 welchen Zweck er sich für seine Handlung setzen wolle. Die Maxime derselben      
  14 aber ist a priori bestimmt: daß nämlich die Freiheit des Handelnden      
  15 mit Jedes anderen Freiheit nach einem allgemeinen Gesetz zusammen      
  16 bestehen könne.      
           
  17 Die Ethik aber nimmt einen entgegengesetzten Weg. Sie kann nicht      
  18 von den Zwecken ausgehen, die der Mensch sich setzen mag, und darnach      
  19 über seine zu nehmende Maximen, d. i. über seine Pflicht, verfügen; denn      
  20 das wären empirische Gründe der Maximen, die keinen Pflichtbegriff abgeben,      
  21 als welcher (das kategorische Sollen) in der reinen Vernunft allein      
  22 seine Wurzel hat; wie denn auch, wenn die Maximen nach jenen Zwecken      
  23 (welche alle selbstsüchtig sind) genommen werden sollten, vom Pflichtbegriff      
  24 eigentlich gar nicht die Rede sein könnte. - Also wird in der Ethik der      
  25 Pflichtbegriff auf Zwecke leiten und die Maximen in Ansehung der      
  26 Zwecke, die wir uns setzen sollen, nach moralischen Grundsätzen begründen      
  27 müssen.      
           
           
    *) Je weniger der Mensch physisch, je mehr er dagegen moralisch (durch die bloße Vorstellung der Pflicht) kann gezwungen werden, desto freier ist er. - Der so z. B. von genugsam fester Entschließung und starker Seele ist eine Lustbarkeit, die er sich vorgenommen hat, nicht aufzugeben, man mag ihm noch so viel Schaden vorstellen, den er sich dadurch zuzieht, aber auf die Vorstellung, daß er hiebei eine Amtspflicht verabsäume, oder einen kranken Vater vernachlässige, von seinem Vorsatz unbedenklich, obzwar sehr ungern, absteht, beweist eben damit seine Freiheit im höchsten Grade, daß er der Stimme der Pflicht nicht widerstehen kann.      
           
     

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