Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 370 |
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01 | aufzuheben, oder, wenn er es thut, man sagen könne, er nehme seinem | ||||||
02 | (adlichen) Unterthan das Seine, was ihm erblich zukommt, kann keinesweges | ||||||
03 | behauptet werden. Er ist eine temporäre, vom Staat autorisirte | ||||||
04 | Zunftgenossenschaft, die sich nach den Zeitumständen bequemen muß und | ||||||
05 | dem allgemeinen Menschenrechte, das so lange suspendirt war, nicht Abbruch | ||||||
06 | thun darf. - Denn der Rang des Edelmanns im Staate ist von | ||||||
07 | der Constitution selber nicht allein abhängig, sondern ist nur ein Accidenz | ||||||
08 | derselben, was nur durch Inhärenz in demselben existiren kann (ein Edelmann | ||||||
09 | kann ja als ein solcher nur im Staate, nicht im Stande der Natur | ||||||
10 | gedacht werden). Wenn also der Staat seine Constitution abändert, so | ||||||
11 | kann der, welcher hiemit jenen Titel und Vorrang einbüßt, nicht sagen, es | ||||||
12 | sei ihm das Seine genommen: weil er es nur unter der Bedingung der | ||||||
13 | Fortdauer dieser Staatsform das Seine nennen konnte, der Staat aber | ||||||
14 | diese abzuändern (z. B. in den Republikanism umzuformen) das Recht | ||||||
15 | hat. - Die Orden und der Vorzug, gewisse Zeichen desselben zu tragen, | ||||||
16 | geben also kein ewiges Recht dieses Besitzes. | ||||||
17 | D. | ||||||
18 | Was endlich die Majoratsstiftung betrifft, da ein Gutsbesitzer | ||||||
19 | durch Erbeseinsetzung verordnet: daß in der Reihe der auf einander folgenden | ||||||
20 | Erben immer der nächste von der Familie der Gutsherr sein solle | ||||||
21 | (nach der Analogie mit einer monarchisch=erblichen Verfassung eines | ||||||
22 | Staats, wo der Landesherr es ist), so kann eine solche Stiftung nicht | ||||||
23 | allein mit Beistimmung aller Agnaten jederzeit aufgehoben werden und | ||||||
24 | darf nicht auf ewige Zeiten - gleich als ob das Erbrecht am Boden | ||||||
25 | haftete - immerwährend fortdauern, noch gesagt werden, es sei eine Verletzung | ||||||
26 | der Stiftung und des Willens des Urahnherrn derselben, des | ||||||
27 | Stifters, sie eingehen zu lassen: sondern der Staat hat auch hier ein Recht, | ||||||
28 | ja sogar die Pflicht, bei den allmählig eintretenden Ursachen seiner eigenen | ||||||
29 | Reform ein solches föderatives System seiner Unterthanen gleich als Unterkönige | ||||||
30 | (nach der Analogie von Dynasten und Satrapen), wenn es erloschen | ||||||
31 | ist, nicht weiter aufkommen zu lassen. | ||||||
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33 | Zuletzt hat der Herr Recensent von den unter der Rubrik öffentliches | ||||||
34 | Recht aufgeführten Ideen, von denen, wie er sagt, der Raum | ||||||
35 | nicht erlaube, sich darüber zu äußern, noch folgendes angemerkt: "Unseres | ||||||
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