Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 325

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 ihr Eigenthum genommen werde; denn der Grund ihres bisherigen Besitzes      
  02 lag nur in der Volksmeinung und mußte auch, so lange diese      
  03 fortwährte, gelten. So bald diese aber erlosch, und zwar auch nur in dem      
  04 Urtheil derjenigen, welche auf Leitung desselben durch ihr Verdienst den      
  05 größten Anspruch haben, so mußte, gleichsam als durch eine Appellation      
  06 desselben an den Staat ( a rege male informato ad regem melius informandum ),      
  07 das vermeinte Eigenthum aufhören.      
           
  08 Auf diesem ursprünglich erworbenen Grundeigenthum beruht das      
  09 Recht des Oberbefehlshabers, als Obereigenthümers (des Landesherrn),      
  10 die Privateigenthümer des Bodens zu beschatzen, d. i. Abgaben durch die      
  11 Landtaxe, Accise und Zölle, oder Dienstleistung (dergleichen die Stellung      
  12 der Mannschaft zum Kriegsdienst ist) zu fordern: so doch, daß das Volk      
  13 sich selber beschatzt, weil dieses die einzige Art ist, hiebei nach Rechtsgesetzen      
  14 zu verfahren, wenn es durch das Corps der Deputirten desselben      
  15 geschieht, auch als gezwungene (von dem bisher bestandenen Gesetz abweichende)      
  16 Anleihe nach dem Majestätsrechte, als in einem Falle, da der      
  17 Staat in Gefahr seiner Auflösung kommt, erlaubt ist.      
           
  18 Hierauf beruht auch das Recht der Staatswirthschaft, des Finanzwesens      
  19 und der Polizei, welche letztere die öffentliche Sicherheit, Gemächlichkeit      
  20 und Anständigkeit besorgt (denn daß das Gefühl für      
  21 diese ( sensus decori ) als negativer Geschmack durch Bettelei, Lärmen auf      
  22 Straßen, Gestank, öffentliche Wollust ( venus volgivaga ), als Verletzungen      
  23 des moralischen Sinnes, nicht abgestumpft werde, erleichtert der Regierung      
  24 gar sehr ihr Geschäfte, das Volk durch Gesetze zu lenken).      
           
  25 Zu Erhaltung des Staats gehört auch noch ein drittes: nämlich das      
  26 Recht der Aufsicht ( ius inspectionis ), daß ihm nämlich keine Verbindung,      
  27 die aufs öffentliche Wohl der Gesellschaft ( publicum ) Einfluß haben      
  28 kann, (von Staats= oder Religions=Illuminaten) verheimlicht, sondern,      
  29 wenn es von der Polizei verlangt wird, die Eröffnung ihrer Verfassung      
  30 nicht geweigert werde. Die aber der Untersuchung der Privatbehausung      
  31 eines jeden ist nur ein Nothfall der Polizei, wozu sie durch eine höhere      
  32 Autorität in jedem besonderen Falle berechtigt werden muß.      
           
  33 C.      
  34 Dem Oberbefehlshaber steht indirect, d. i. als Übernehmer der      
  35 Pflicht des Volks, das Recht zu, dieses mit Abgaben zu seiner (des Volks)      
           
     

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