Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 315 |
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| 01 | dieser Arbeit als Waare öffentlich feil stellen kann; der Hauslehrer | ||||||
| 02 | in Vergleichung mit dem Schulmann, der Zinsbauer in Vergleichung | ||||||
| 03 | mit dem Pächter u. dergl. sind blos Handlanger des gemeinen Wesens, | ||||||
| 04 | weil sie von anderen Individuen befehligt oder beschützt werden | ||||||
| 05 | müssen, mithin keine bürgerliche Selbstständigkeit besitzen. | ||||||
| 06 | Diese Abhängigkeit von dem Willen Anderer und Ungleichheit | ||||||
| 07 | ist gleichwohl keinesweges der Freiheit und Gleichheit derselben als | ||||||
| 08 | Menschen, die zusammen ein Volk ausmachen, entgegen: vielmehr | ||||||
| 09 | kann bloß den Bedingungen derselben gemäß dieses Volk ein Staat | ||||||
| 10 | werden und in eine bürgerliche Verfassung eintreten. In dieser Verfassung | ||||||
| 11 | aber das Recht der Stimmgebung zu haben, d. i. Staatsbürger, | ||||||
| 12 | nicht bloß Staatsgenosse zu sein, dazu qualificiren sich nicht | ||||||
| 13 | alle mit gleichem Recht. Denn daraus, daß sie fordern können, von | ||||||
| 14 | allen Anderen nach Gesetzen der natürlichen Freiheit und Gleichheit | ||||||
| 15 | als passive Theile des Staats behandelt zu werden, folgt nicht das | ||||||
| 16 | Recht, auch als active Glieder den Staat selbst zu behandeln, zu | ||||||
| 17 | organisiren oder zu Einführung gewisser Gesetze mitzuwirken: sondern | ||||||
| 18 | nur daß, welcherlei Art die positiven Gesetze, wozu sie stimmen, | ||||||
| 19 | auch sein möchten, sie doch den natürlichen der Freiheit und der dieser | ||||||
| 20 | angemessenen Gleichheit Aller im Volk, sich nämlich aus diesem | ||||||
| 21 | passiven Zustande zu dem activen empor arbeiten zu können, nicht | ||||||
| 22 | zuwider sein müssen. | ||||||
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| 24 | Alle jene drei Gewalten im Staate sind Würden und als wesentliche | ||||||
| 25 | aus der Idee eines Staats überhaupt zur Gründung desselben (Constitution) | ||||||
| 26 | nothwendig hervorgehend, Staatswürden. Sie enthalten das Verhältniß | ||||||
| 27 | eines allgemeinen Oberhaupts (der, nach Freiheitsgesetzen | ||||||
| 28 | betrachtet, kein Anderer als das vereinigte Volk selbst sein kann) zu der | ||||||
| 29 | vereinzelten Menge ebendesselben als Unterthans, d. i. des Gebietenden | ||||||
| 30 | ( imperans ) gegen den Gehorsamenden ( subditus ). - Der Act, | ||||||
| 31 | wodurch sich das Volk selbst zu einem Staat constituirt, eigentlich aber | ||||||
| 32 | nur die Idee desselben, nach der die Rechtmäßigkeit desselben allein gedacht | ||||||
| 33 | werden kann, ist der ursprüngliche Contract, nach welchem alle | ||||||
| 34 | ( omnes et singuli ) im Volk ihre äußere Freiheit aufgeben, um sie als | ||||||
| 35 | Glieder eines gemeinen Wesens, d. i. des Volks als Staat betrachtet | ||||||
| 36 | ( universi ), sofort wieder aufzunehmen, und man kann nicht sagen: der | ||||||
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