Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 290 |
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01 | Büste eine bestimmte Person vorstellt), sondern eine Rede ans Publicum, | ||||||
02 | d. i. der Schriftsteller spricht durch den Verleger öffentlich. - Dieser | ||||||
03 | aber, nämlich der Verleger, spricht (durch seinen Werkmeister, operarius , | ||||||
04 | den Drucker) nicht in seinem eigenen Namen (denn sonst würde er sich für | ||||||
05 | den Autor ausgeben); sondern im Namen des Schriftstellers, wozu er | ||||||
06 | also nur durch eine ihm von dem letzteren ertheilte Vollmacht ( mandatum ) | ||||||
07 | berechtigt ist. - Nun spricht der Nachdrucker durch seinen eigenmächtigen | ||||||
08 | Verlag zwar auch im Namen des Schriftstellers, aber ohne | ||||||
09 | dazu Vollmacht von demselben zu haben ( gerit se mandatarium absque | ||||||
10 | mandato ); folglich begeht er an dem von dem Autor bestellten (mithin | ||||||
11 | einzig rechtmäßigen) Verleger ein Verbrechen der Entwendung des Vortheils, | ||||||
12 | den der letztere aus dem Gebrauch seines Rechts ziehen konnte und | ||||||
13 | wollte ( furtum usus ); also ist der Büchernachdruck von rechtswegen | ||||||
14 | verboten. | ||||||
15 | Die Ursache des rechtlichen Anscheins einer gleichwohl beim ersten | ||||||
16 | Anblick so stark auffallenden Ungerechtigkeit, als der Büchernachdruck ist, | ||||||
17 | liegt darin: daß das Buch einerseits ein körperliches Kunstproduct | ||||||
18 | ( opus mechanicum ) ist, was nachgemacht werden kann (von dem, der sich | ||||||
19 | im rechtmäßigen Besitz eines Exemplars desselben befindet), mithin daran | ||||||
20 | ein Sachenrecht statt hat: andrerseits aber ist das Buch auch bloße | ||||||
21 | Rede des Verlegers ans Publicum, die dieser, ohne dazu Vollmacht vom | ||||||
22 | Verfasser zu haben, öffentlich nicht nachsprechen darf ( praestatio operae ), | ||||||
23 | ein persönliches Recht, und nun besteht der Irrthum darin, daß beides | ||||||
24 | mit einander verwechselt wird. | ||||||
25 | Die Verwechselung des persönlichen Rechts mit dem Sachenrecht ist | ||||||
26 | noch in einem anderen, unter den Verdingungsvertrag gehörigen Falle | ||||||
27 | (B, II, α), nämlich dem der Einmiethung ( ius incolatus ), ein Stoff zu | ||||||
28 | Streitigkeiten. - Es frägt sich nämlich: ist der Eigenthümer, wenn er | ||||||
29 | sein an jemanden vermiethetes Haus (oder seinen Grund) vor Ablauf der | ||||||
30 | Miethszeit an einen Anderen verkauft, verbunden, die Bedingung der | ||||||
31 | fortdauernden Miethe dem Kaufcontracte beizufügen, oder kann man | ||||||
32 | sagen: Kauf bricht Miethe (doch in einer durch den Gebrauch bestimmten | ||||||
33 | Zeit der Aufkündigung)? - Im ersteren Fall hätte das Haus wirklich | ||||||
34 | eine Belästigung ( onus ) auf sich liegend, ein Recht in dieser Sache, das | ||||||
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