Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 280

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Die Erwerbung einer Gattin oder eines Gatten geschieht also nicht      
  02 facto (durch die Beiwohnung) ohne vorhergehenden Vertrag, auch nicht      
  03 pacto (durch den bloßen ehelichen Vertrag ohne nachfolgende Beiwohnung),      
  04 sondern nur lege : d. i. als rechtliche Folge aus der Verbindlichkeit in eine      
  05 Geschlechtsverbindung nicht anders, als vermittelst des wechselseitigen      
  06 Besitzes der Personen, als welcher nur durch den gleichfalls wechselseitigen      
  07 Gebrauch ihrer Geschlechtseigenthümlichkeiten seine Wirklichkeit      
  08 erhält, zu treten.      
           
  09
Des Rechts der häuslichen Gesellschaft
     
  10
zweiter Titel:
     
  11
Das Elternrecht.
     
           
  12
§ 28.
     
           
  13 Gleichwie aus der Pflicht des Menschen gegen sich selbst, d. i. gegen      
  14 die Menschheit in seiner eigenen Person, ein Recht ( ius personale ) beider      
  15 Geschlechter entsprang, sich als Personen wechselseitig einander auf dingliche      
  16 Art durch Ehe zu erwerben: so folgt aus der Zeugung in dieser      
  17 Gemeinschaft eine Pflicht der Erhaltung und Versorgung in Absicht auf      
  18 ihr Erzeugniß, d. i. die Kinder als Personen haben hiemit zugleich      
  19 ein ursprünglich=angebornes (nicht angeerbtes) Recht auf ihre Versorgung      
  20 durch die Eltern, bis sie vermögend sind, sich selbst zu erhalten; und zwar      
  21 durchs Gesetz ( lege ) unmittelbar, d. i. ohne daß ein besonderer rechtlicher      
  22 Act dazu erforderlich ist.      
           
  23 Denn da das Erzeugte eine Person ist, und es unmöglich ist, sich      
  24 von der Erzeugung eines mit Freiheit begabten Wesens durch eine physische      
  25 Operation einen Begriff zu machen*): so ist es eine in praktischer      
           
    *) Selbst nicht, wie es möglich ist, daß Gott freie Wesen erschaffe; denn da wären, wie es scheint, alle künftige Handlungen derselben, durch jenen ersten Act vorherbestimmt, in der Kette der Naturnothwendigkeit enthalten, mithin nicht frei. Da sie aber (wir Menschen) doch frei sind, beweiset der kategorische Imperativ in moralisch praktischer Absicht, wie durch einen Machtspruch der Vernunft, ohne daß diese doch die Möglichkeit dieses Verhältnisses einer Ursache zur Wirkung in theoretischer begreiflich machen kann, weil beide übersinnlich sind. - Was man ihr hiebei allein zumuthen kann, wäre bloß: daß sie beweise, es sei in dem Begriffe von einer Schöpfung freier Wesen kein Widerspruch; und dieses kann dadurch gar wohl geschehen, daß [Seitenumbruch] gezeigt wird: der Widerspruch eräugne sich nur dann, wenn mit der Kategorie der Causalität zugleich die Zeitbedingung, die im Verhältniß zu Sinnenobjecten nicht vermieden werden kann (daß nämlich der Grund einer Wirkung vor dieser vorhergehe), auch in das Verhältniß des Übersinnlichen zu einander hinüber gezogen wird (welches auch wirklich, wenn jener Causalbegriff in theoretischer Absicht objective Realität bekommen soll, geschehen müßte), - der Widerspruch - aber verschwinde, wenn in moralisch=praktischer, mithin nicht=sinnlicher Absicht die reine Kategorie (ohne ein ihr untergelegtes Schema) im Schöpfungsbegriffe gebraucht wird. Der philosophische Rechtslehrer wird diese Nachforschung bis zu den ersten Elementen der Transscendentalphilosophie in einer Metaphysik der Sitten nicht für unnöthige Grübelei erklären, die sich in zwecklose Dunkelheit verliert, wenn er die Schwierigkeit der zu lösenden Aufgabe und doch auch die Nothwendigkeit, hierin den Rechtsprincipien genug zu thun, in Überlegung zieht.      
           
     

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