Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 142 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | (weil er in seinem Regiment diese dreifache Qualität gemeiniglich nicht | ||||||
| 02 | von einander absondert, sondern sie oft vermischt oder verwechselt) in einen | ||||||
| 03 | anthropomorphistischen Frohnglauben auszuarten. | ||||||
| 04 | Wenn aber eben dieser Glaube (an eine göttliche Dreieinigkeit) nicht | ||||||
| 05 | bloß als Vorstellung einer praktischen Idee, sondern als ein solcher, der | ||||||
| 06 | das, was Gott an sich selbst sei, vorstellen solle, betrachtet würde, so würde | ||||||
| 07 | er ein alle menschlichen Begriffe übersteigendes, mithin einer Offenbarung | ||||||
| 08 | für die menschliche Fassungskraft unfähiges Geheimniß sein und als ein | ||||||
| 09 | solches in diesem Betracht angekündigt werden können. Der Glaube an | ||||||
| 10 | dasselbe als Erweiterung der theoretischen Erkenntniß von der göttlichen | ||||||
| 11 | Natur würde nur das Bekenntniß zu einem den Menschen ganz unverständlichen | ||||||
| 12 | und, wenn sie es zu verstehen meinen, anthropomorphistischen | ||||||
| 13 | Symbol eines Kirchenglaubens sein, wodurch für die sittliche Besserung | ||||||
| 14 | nicht das mindeste ausgerichtet würde. - Nur das, was man zwar in | ||||||
| 15 | praktischer Beziehung ganz wohl verstehen und einsehen kann, was aber | ||||||
| 16 | in theoretischer Absicht (zur Bestimmung der Natur des Objects an sich) | ||||||
| 17 | alle unsre Begriffe übersteigt, ist Geheimniß (in einer Beziehung) und | ||||||
| 18 | kann doch (in einer andern) geoffenbart werden. Von der letztern Art ist | ||||||
| 19 | das obenbenannte, welches man in drei uns durch unsre eigne Vernunft | ||||||
| 20 | geoffenbarte Geheimnisse eintheilen kann: | ||||||
| 21 | 1. Das der Berufung (der Menschen als Bürger zu einem ethischen | ||||||
| 22 | Staat). - Wir können uns die allgemeine unbedingte Unterwerfung | ||||||
| 23 | des Menschen unter die göttliche Gesetzgebung nicht anders denken, | ||||||
| 24 | als sofern wir uns zugleich als seine Geschöpfe ansehen; eben so wie | ||||||
| 25 | Gott nur darum als Urheber aller Naturgesetze angesehen werden kann, | ||||||
| 26 | weil er der Schöpfer der Naturdinge ist. Es ist aber für unsere Vernunft | ||||||
| 27 | schlechterdings unbegreiflich, wie Wesen zum freien Gebrauch ihrer Kräfte | ||||||
| 28 | erschaffen sein sollen: weil wir nach dem Princip der Causalität einem | ||||||
| 29 | Wesen, das als hervorgebracht angenommen wird, keinen andern innern | ||||||
| 30 | Grund seiner Handlungen beilegen können als denjenigen, welchen die | ||||||
| 31 | hervorbringende Ursache in dasselbe gelegt hat, durch welchen (mithin | ||||||
| 32 | durch eine äußere Ursache) dann auch jede Handlung desselben bestimmt, | ||||||
| 33 | mithin dieses Wesen selbst nicht frei sein würde. Also läßt sich die göttliche, | ||||||
| 34 | heilige, mithin bloß freie Wesen angehende Gesetzgebung mit dem | ||||||
| 35 | Begriffe einer Schöpfung derselben durch unsere Vernunfteinsicht nicht | ||||||
| 36 | vereinbaren, sondern man muß jene schon als existirende freie Wesen betrachten, | ||||||
| 37 | welche nicht durch ihre Naturabhängigkeit vermöge ihrer Schöpfung, | ||||||
| [ Seite 141 ] [ Seite 143 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||