Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 082 |
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| 01 | Gewalt hat) einen Aufstand erregte. Da aber das Reich, in welchem | ||||||
| 02 | Principien machthabend sind (sie mögen nun gut oder böse sein), nicht | ||||||
| 03 | ein Reich der Natur, sondern der Freiheit ist, d. i. ein solches, in welchem | ||||||
| 04 | man über die Sachen nur in sofern disponiren kann, als man über die Gemüther | ||||||
| 05 | herrscht, in welchem also niemand Sklave (Leibeigner) ist als der | ||||||
| 06 | - und solange er es sein will: so war eben dieser Tod (die höchste Stufe | ||||||
| 07 | der Leiden eines Menschen) die Darstellung des guten Princips, nämlich | ||||||
| 08 | der Menschheit, in ihrer moralischen Vollkommenheit, als Beispiel der | ||||||
| 09 | Nachfolge für jedermann. Die Vorstellung desselben sollte und konnte | ||||||
| 10 | auch für seine, ja sie kann für jede Zeit vom größtem Einflusse auf menschliche | ||||||
| 11 | Gemüther sein, indem es die Freiheit der Kinder des Himmels und | ||||||
| 12 | die Knechtschaft eines bloßen Erdensohns in dem allerauffallendsten Contraste | ||||||
| 13 | sehen läßt, das gute Princip ist aber nicht bloß zu einer gewissen | ||||||
| 14 | Zeit, sondern von dem Ursprunge des menschlichen Geschlechts an unsichtbarerweise | ||||||
| 15 | vom Himmel in die Menschheit herabgekommen gewesen (wie | ||||||
| 16 | ein jeder, der auf seine Heiligkeit und zugleich die Unbegreiflichkeit der | ||||||
| 17 | Verbindung derselben mit der sinnlichen Natur des Menschen in der moralischen | ||||||
| 18 | Anlage Acht hat, gestehen muß) und hat in ihr rechtlicherweise | ||||||
| 19 | seinen ersten Wohnsitz. Da es also in einem wirklichen Menschen als einem | ||||||
| 20 | Beispiele für alle andere erschien, "so kam er in sein Eigenthum, und die | ||||||
| 21 | Seinen nahmen ihn nicht auf, denen aber, die ihn aufnahmen, hat er Macht | ||||||
| 22 | gegeben, Gottes Kinder zu heißen, die an seinen Namen glauben"; d. i. | ||||||
| 23 | durch das Beispiel desselben (in der moralischen Idee) eröffnet er die | ||||||
| 24 | Pforte der Freiheit für jedermann, die eben so wie er Allem dem absterben | ||||||
| 25 | wollen, was sie zum Nachtheil der Sittlichkeit an das Erdenleben gefesselt | ||||||
| 26 | hält, und sammelt sich unter diesen "ein Volk, das fleißig wäre in guten | ||||||
| 27 | Werken, zum Eigenthum" und unter seine Herrschaft, indessen daß er die, | ||||||
| 28 | so die moralische Knechtschaft vorziehen, der ihrigen überläßt. | ||||||
| 29 | Also ist der moralische Ausgang dieses Streits auf Seiten des Helden | ||||||
| 30 | dieser Geschichte (bis zum Tode desselben) eigentlich nicht die Besiegung | ||||||
| 31 | des bösen Princips; denn sein Reich währt noch, und es muß allenfalls | ||||||
| 32 | noch eine neue Epoche eintreten, in der es zerstört werden soll, | ||||||
| 33 | sondern nur Brechung seiner Gewalt, die, welche ihm so lange unterthan | ||||||
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