Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 081

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Mensch seinen Versuchungen, jenem Contract auch beizutreten, nahmen      
  02 andere Menschen auch dieselbe Gesinnung gläubig an, so büßte er eben soviel      
  03 Unterthanen ein, und sein Reich lief Gefahr, gänzlich zerstört zu werden.      
  04 Dieser bot ihm also an, ihn zum Lehnsträger seines ganzen Reichs      
  05 zu machen, wenn er ihm nur als Eigenthümer desselben huldigen wollte.      
  06 Da dieser Versuch nicht gelang, so entzog er nicht allein diesem Fremdlinge      
  07 auf seinem Boden alles, was ihm sein Erdenleben angenehm machen      
  08 konnte (bis zur größten Armuth), sondern erregte gegen ihn alle Verfolgungen,      
  09 wodurch böse Menschen es verbittern können, Leiden, die nur der      
  10 Wohlgesinnte recht tief fühlt, Verleumdung der lautern Absicht seiner      
  11 Lehren (um ihm allen Anhang zu entziehen) und verfolgte ihn bis zum      
  12 schmählichsten Tode, ohne gleichwohl durch diese Bestürmung seiner Standhaftigkeit      
  13 und Freimüthigkeit in Lehre und Beispiel für das beste von      
  14 lauter Unwürdigen im mindesten etwas gegen ihn auszurichten. Und      
  15 nun der Ausgang dieses Kampfs! Der Ausschlag desselben kann als ein      
  16 rechtlicher, oder auch als ein physischer betrachtet werden. Wenn man      
  17 den letztern ansieht (der in die Sinne fällt), so ist das gute Princip der      
  18 unterliegende Theil; er mußte in diesem Streite nach vielen erlittenen      
  19 Leiden sein Leben hingeben, ) weil er in einer fremden Herrschaft (die      
           
    *†) Nicht daß er (wie D. Bahrdt romanhaft dichtete) den Tod suchte, um eine gute Absicht durch ein Aufsehen erregendes glänzendes Beispiel zu befördern; das wäre Selbstmord gewesen. Denn man darf zwar auf die Gefahr des Verlustes seines Lebens etwas wagen, oder auch den Tod von den Händen eines andern erdulden, wenn man ihm nicht ausweichen kann, ohne einer unnachlaßlichen Pflicht untreu zu werden, aber nicht über sich und sein Leben als Mittel, zu welchem Zweck es auch sei, disponiren und so Urheber seines Todes sein. - Aber auch nicht daß er (wie der Wolfenbüttelsche Fragmentist argwohnt) sein Leben nicht in moralischer, sondern bloß in politischer, aber unerlaubter Absicht, um etwa die Priesterregierung zu stürzen und sich mit weltlicher Obergewalt selbst an ihre Stelle zu setzen, gewagt habe; denn dawider streitet seine, nachdem er die Hoffnung es zu erhalten schon aufgegeben hatte, an seine Jünger beim Abendmahl ergangene Ermahnung, es zu seinem Gedächtni zu thun; welches, wenn es die Erinnerung einer fehlgeschlagenen weltlichen Absicht hätte sein sollen, eine kränkende, Unwillen gegen den Urheber erregende, mithin sich selbst widersprechende Ermahnung gewesen wäre. Gleichwohl konnte diese Erinnerung auch das Fehlschlagen einer sehr guten, rein=moralischen Absicht des Meisters betreffen, nämlich noch bei seinem Leben durch Stürzung des alle moralische Gesinnung verdrängenden Ceremonialglaubens und des Ansehens der Priester desselben eine öffentliche Revolution (in der Religion) zu bewirken (wozu die Anstalten, seine im Lande zerstreute Jünger am Ostern zu versammeln, abgezweckt sein mochten); [Seitenumbruch] *von welcher freilich auch noch jetzt bedauert werden kann, daß sie nicht gelungen ist; die aber doch nicht vereitelt, sondern nach seinem Tode in eine sich im Stillen, aber unter viel Leiden ausbreitende Religionsumänderung übergegangen ist.      
           
     

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