Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 052

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 öffentlichen, die es je gegeben hat, allein die christliche ist) ist es ein      
  02 Grundsatz: daß ein jeder so viel, als in seinen Kräften ist, thun müsse,      
  03 um ein besserer Mensch zu werden; und nur alsdann, wenn er sein angebornes      
  04 Pfund nicht vergraben (Lucä IXX, 12 - 16), wenn er die ursprüngliche      
  05 Anlage zum Guten benutzt hat, um ein besserer Mensch zu werden,      
  06 er hoffen könne, was nicht in seinem Vermögen ist, werde durch höhere      
  07 Mitwirkung ergänzt werden. Auch ist es nicht schlechterdings nothwendig,      
  08 daß der Mensch wisse, worin diese bestehe; vielleicht gar unvermeidlich,      
  09 daß, wenn die Art, wie sie geschieht, zu einer gewissen Zeit offenbart worden,      
  10 verschiedene Menschen zu einer andern Zeit sich verschiedene Begriffe      
  11 und zwar mit aller Aufrichtigkeit davon machen würden. Aber alsdann      
  12 gilt auch der Grundsatz: "Es ist nicht wesentlich und also nicht jedermann      
  13 nothwendig zu wissen, was Gott zu seiner Seligkeit thue, oder gethan      
  14 habe;" aber wohl, was er selbst zu thun habe, um dieses Beistandes      
  15 würdig zu werden.      
           
  16 † Diese allgemeine Anmerkung ist die erste von den vieren, deren      
  17 eine jedem Stück dieser Schrift angehängt ist, und welche die Aufschrift      
  18 führen könnten: 1) von Gnadenwirkungen, 2) Wundern, 3) Geheimnissen,      
  19 4) Gnadenmitteln. - Diese sind gleichsam Parerga der Religion innerhalb      
  20 der Grenzen der reinen Vernunft; sie gehören nicht innerhalb dieselben,      
  21 aber stoßen doch an sie an. Die Vernunft im Bewußtsein ihres      
  22 Unvermögens, ihrem moralischen Bedürfniß ein Genüge zu thun, dehnt      
  23 sich bis zu überschwenglichen Ideen aus, die jenen Mangel ergänzen      
  24 könnten, ohne sie doch als einen erweiterten Besitz sich zuzueignen. Sie      
  25 bestreitet nicht die Möglichkeit oder Wirklichkeit der Gegenstände derselben,      
  26 aber kann sie nur nicht in ihre Maximen zu denken und zu handeln      
  27 aufnehmen. Sie rechnet sogar darauf, daß, wenn in dem unerforschlichen      
  28 Felde des Übernatürlichen noch etwas mehr ist, als sie sich verständlich      
  29 machen kann, was aber doch zu Ergänzung des moralischen Unvermögens      
  30 nothwendig wäre, dieses ihrem guten Willen auch unerkannt zu statten      
  31 kommen werde, mit einem Glauben, den man den (über die Möglichkeit      
  32 desselben) reflectirenden nennen könnte, weil der dogmatische, der      
  33 sich als ein Wissen ankündigt, ihr unaufrichtig oder vermessen vorkommt;      
  34 denn die Schwierigkeiten gegen das, was für sich selbst (praktisch)      
  35 fest steht, wegzuräumen, ist, wenn sie transscendente Fragen betreffen, nur      
  36 ein Nebengeschäfte ( Parergon ). Was den Nachtheil aus diesen auch moralisch      
  37 transscendenten Ideen anlangt, wenn wir sie in die Religion      
           
     

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