Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 039 |
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01 | Versuchung gefunden werden kann, der vermögend ist, sie zu stürzen, | ||||||
02 | wenn, ob der böse oder der gute Geist uns für seine Partei gewinne, es | ||||||
03 | nur darauf ankommt, wer das Meiste bietet und die prompteste Zahlung | ||||||
04 | leistet: so möchte wohl vom Menschen allgemein wahr sein, was der Apostel | ||||||
05 | sagt: "Es ist hier kein Unterschied, sie sind allzumal Sünder - Es ist | ||||||
06 | Keiner, der Gutes thue (nach dem Geiste des Gesetzes), auch nicht einer."*) | ||||||
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09 | Ursprung (der erste) ist die Abstammung einer Wirkung von ihrer | ||||||
10 | ersten, d. i. derjenigen Ursache, welche nicht wiederum Wirkung einer andern | ||||||
11 | Ursache von derselben Art ist. Er kann entweder als Vernunft | ||||||
12 | oder als Zeitursprung in Betrachtung gezogen werden. In der ersten | ||||||
13 | Bedeutung wird blos das Dasein der Wirkung betrachtet; in der zweiten | ||||||
14 | das Geschehen derselben, mithin sie als Begebenheit auf ihre Ursache | ||||||
15 | in der Zeit bezogen. Wenn die Wirkung auf eine Ursache, die mit ihr | ||||||
16 | doch nach Freiheitsgesetzen verbunden ist, bezogen wird, wie das mit dem | ||||||
17 | moralisch Bösen der Fall ist: so wird die Bestimmung der Willkür zu | ||||||
18 | ihrer Hervorbringung nicht als mit ihrem Bestimmungsgrunde in der | ||||||
19 | Zeit, sondern blos in der Vernunftvorstellung verbunden gedacht und kann | ||||||
20 | nicht als von irgend einem vorhergehenden Zustande abgeleitet werden; | ||||||
21 | welches dagegen allemal geschehen muß, wenn die böse Handlung | ||||||
*) Von diesem Verdammungsurtheile der moralisch richtenden Vernunft ist der eigentliche Beweis nicht in diesem, sondern im vorigen Abschnitte enthalten; dieser enthält nur die Bestätigung desselben durch Erfahrung, welche aber nie die Wurzel des Bösen in der obersten Maxime der freien Willkür in Beziehung aufs Gesetz aufdecken kann, die als intelligibele That vor aller Erfahrung vorhergeht. Hieraus, d. i. aus der Einheit der obersten Maxime, bei der Einheit des Gesetzes, worauf sie sich bezieht, läßt sich auch einsehen: warum der reinen intellectuellen Beurtheilung des Menschen der Grundsatz der Ausschließung des Mittleren zwischen gut und böse zum Grunde liegen müsse; indessen daß der empirischen Beurtheilung aus sensibler That (dem wirklichen Thun und Lassen) der Grundsatz untergelegt werden kann: daß es ein Mittleres zwischen diesen Extremen gebe, einerseits ein Negatives der Indifferenz vor aller Ausbildung, andererseits ein Positives der Mischung, theils gut, theils böse zu sein. Aber die letztere ist nur Beurtheilung der Moralität des Menschen in der Erscheinung und ist der ersteren im Endurtheile unterworfen. | |||||||
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