Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 024

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 daß sie durch keine Triebfeder zu einer Handlung bestimmt werden kann,      
  02 als nur sofern der Mensch sie in seine Maxime aufgenommen      
  03 hat (es sich zur allgemeinen Regel gemacht hat, nach der er sich verhalten      
  04 will); so allein kann eine Triebfeder, welche sie auch sei, mit der absoluten      
  05 Spontaneität der Willkür (der Freiheit) zusammen bestehen. Allein das      
  06 moralische Gesetz ist für sich selbst im Urtheile der Vernunft Triebfeder,      
  07 und wer es zu seiner Maxime macht, ist moralisch gut. Wenn nun das      
  08 Gesetz jemandes Willkür in Ansehung einer auf dasselbe sich beziehenden      
  09 Handlung doch nicht bestimmt, so muß eine ihm entgegengesetzte Triebfeder      
  10 auf die Willkür desselben Einfluß haben; und da dieses vermöge der      
  11 Voraussetzung nur dadurch geschehen kann, daß der Mensch diese (mithin      
  12 auch die Abweichung vom moralischen Gesetze) in seine Maxime aufnimmt      
  13 (in welchem Falle er ein böser Mensch ist): so ist seine Gesinnung in Ansehung      
  14 des moralischen Gesetzes niemals indifferent (niemals keines von      
  15 beiden, weder gut, noch böse).      
           
  16 Er kann aber auch nicht in einigen Stücken sittlich gut, in andern      
  17 zugleich böse sein. Denn ist er in einem gut, so hat er das moralische Gesetz      
  18 in seine Maxime aufgenommen; sollte er also in einem andern Stücke      
  19 zugleich böse sein, so würde, weil das moralische Gesetz der Befolgung der      
  20 Pflicht überhaupt nur ein einziges und allgemein ist, die auf dasselbe bezogene      
  21 Maxime allgemein, zugleich aber nur eine besondere Maxime sein:      
  22 welches sich widerspricht.*)      
           
           
    *) Die alten Moralphilosophen, die so ziemlich alles erschöpften, was über die Tugend gesagt werden kann, haben obige zwei Fragen auch nicht unberührt gelassen. Die erste drückten sie so aus: Ob die Tugend erlernt werden müsse (der Mensch also von Natur gegen sie und das Laster indifferent sei)? Die zweite war: Ob es mehr als eine Tugend gebe (mithin es nicht etwa statt finde, daß der Mensch [Seitenumbruch] in einigen Stücken tugendhaft, in andern lasterhaft sei)? Beides wurde von ihnen mit rigoristischer Bestimmtheit verneint und das mit Recht; denn sie betrachteten die Tugend an sich in der Idee der Vernunft (wie der Mensch sein soll). Wenn man dieses moralische Wesen aber, den Menschen in der Erscheinung, d. i. wie ihn uns die Erfahrung kennen läßt, sittlich beurtheilen will: so kann man beide angeführte Fragen bejahend beantworten; denn da wird er nicht auf der Wage der reinen Vernunft (vor einem göttlichen Gericht), sondern nach empirischem Maßstabe (von einem menschlichen Richter) beurtheilt. Wovon in der Folge noch gehandelt werden wird.      
           
     

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