Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 010 |
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| 01 | bloßen Vernunft angemessenen, der letztern aber vielleicht nicht gefälligen | ||||||
| 02 | Bedeutung! sondern nur sofern er in diese etwas hineinträgt und sie | ||||||
| 03 | dadurch auf andere Zwecke richten will, als es dieser ihre Einrichtung verstattet. | ||||||
| 04 | - So kann man z. B. nicht sagen, daß der Lehrer des Naturrechts, | ||||||
| 05 | der manche klassische Ausdrücke und Formeln für seine philosophische | ||||||
| 06 | Rechtslehre aus dem Codex der römischen entlehnt, in diese einen | ||||||
| 07 | Eingriff thue, wenn er sich derselben, wie oft geschieht, auch nicht genau in | ||||||
| 08 | demselben Sinn bedient, in welchem sie nach den Auslegern des letztern zu | ||||||
| 09 | nehmen sein möchten, wofern er nur nicht will, die eigentlichen Juristen | ||||||
| 10 | oder gar Gerichtshöfe sollten sie auch so brauchen. Denn wäre das nicht | ||||||
| 11 | zu seiner Befugniß gehörig, so könnte man auch umgekehrt den biblischen | ||||||
| 12 | Theologen, oder den statutarischen Juristen beschuldigen, sie thäten unzählige | ||||||
| 13 | Eingriffe in das Eigenthum der Philosophie, weil beide, da sie der | ||||||
| 14 | Vernunft und, wo es Wissenschaft gilt, der Philosophie nicht entbehren | ||||||
| 15 | können, aus ihr sehr oft, obzwar nur zu ihrem beiderseitigen Behuf, borgen | ||||||
| 16 | müssen. Sollte es aber bei dem erstern darauf angesehen sein, mit der | ||||||
| 17 | Vernunft in Religionsdingen wo möglich gar nichts zu schaffen zu haben, | ||||||
| 18 | so kann man leicht voraussehen, auf wessen Seite der Verlust sein würde; | ||||||
| 19 | denn eine Religion, die der Vernunft unbedenklich den Krieg ankündigt, | ||||||
| 20 | wird es auf die Dauer gegen sie nicht aushalten. - Ich getraue mir sogar | ||||||
| 21 | in Vorschlag zu bringen: ob es nicht wohlgethan sein würde, nach | ||||||
| 22 | Vollendung der akademischen Unterweisung in der biblischen Theologie | ||||||
| 23 | jederzeit noch eine besondere Vorlesung über die reine philosophische | ||||||
| 24 | Religionslehre (die sich alles, auch die Bibel, zu Nutze macht) nach einem | ||||||
| 25 | Leitfaden, wie etwa dieses Buch (oder auch ein anderes, wenn man ein | ||||||
| 26 | besseres von derselben Art haben kann), als zur vollständigen Ausrüstung | ||||||
| 27 | des Candidaten erforderlich, zum Beschlusse hinzuzufügen. - Denn die | ||||||
| 28 | Wissenschaften gewinnen lediglich durch die Absonderung, sofern jede vorerst | ||||||
| 29 | für sich ein Ganzes ausmacht, und nur dann allererst mit ihnen der | ||||||
| 30 | Versuch angestellt wird, sie in Vereinigung zu betrachten. Da mag nun | ||||||
| 31 | der biblische Theolog mit dem Philosophen einig sein oder ihn widerlegen | ||||||
| 32 | zu müssen glauben: wenn er ihn nur hört. Denn so kann er allein | ||||||
| 33 | wider alle Schwierigkeiten, die ihm dieser machen dürfte, zum voraus bewaffnet | ||||||
| 34 | sein. Aber diese zu verheimlichen, auch wohl als ungöttlich zu | ||||||
| 35 | verrufen, ist ein armseliger Behelf, der nicht Stich hält; beide aber zu | ||||||
| 36 | vermischen und von Seiten des biblischen Theologen nur gelegentlich flüchtige | ||||||
| 37 | Blicke darauf zu werfen, ist ein Mangel der Gründlichkeit, bei dem | ||||||
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