Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 479 |
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01 | physischen Teleologie keine Veranlassung sein würde: und dennoch würde | ||||||
02 | die Vernunft, die durch Naturbegriffe hier keine Anleitung bekommt, im | ||||||
03 | Freiheitsbegriffe und in den sich darauf gründenden sittlichen Ideen einen | ||||||
04 | praktisch=hinreichenden Grund finden, den Begriff des Urwesens diesen | ||||||
05 | angemessen, d. i. als einer Gottheit, und die Natur (selbst unser eigenes | ||||||
06 | Dasein) als einen jener und ihren Gesetzen gemäßen Endzweck zu postuliren | ||||||
07 | und zwar in Rücksicht auf das unnachlaßliche Gebot der praktischen | ||||||
08 | Vernunft. - Daß nun aber in der wirklichen Welt für die vernünftigen | ||||||
09 | Wesen in ihr reichlicher Stoff zur physischen Teleologie ist (welches eben | ||||||
10 | nicht nothwendig wäre), dient dem moralischen Argument zu erwünschter | ||||||
11 | Bestätigung, soweit Natur etwas den Vernunftideen (den moralischen) | ||||||
12 | Analoges aufzustellen vermag. Denn der Begriff einer obersten Ursache, | ||||||
13 | die Verstand hat (welches aber für eine Theologie lange nicht hinreichend | ||||||
14 | ist), bekommt dadurch die für die reflectirende Urtheilskraft hinreichende | ||||||
15 | Realität; aber er ist nicht erforderlich, um den moralischen Beweis darauf | ||||||
16 | zu gründen: noch dient dieser, um jenen, der für sich allein gar nicht auf | ||||||
17 | Moralität hinweiset, durch fortgesetzten Schluß nach einem einzigen Princip | ||||||
18 | zu einem Beweise zu ergänzen. Zwei so ungleichartige Principien, | ||||||
19 | als Natur und Freiheit können nur zwei verschiedene Beweisarten abgeben, | ||||||
20 | da denn der Versuch, denselben aus der ersteren zu führen, für das, was | ||||||
21 | bewiesen werden soll, unzulänglich befunden wird. | ||||||
22 | Wenn der physisch=teleologische Beweisgrund zu dem gesuchten Beweise | ||||||
23 | zureichte, so wäre es für die speculative Vernunft sehr befriedigend; | ||||||
24 | denn er würde Hoffnung geben, eine Theosophie hervorzubringen (so würde | ||||||
25 | man nämlich die theoretische Erkenntniß der göttlichen Natur und seiner | ||||||
26 | Existenz, welche zur Erklärung der Weltbeschaffenheit und zugleich der | ||||||
27 | Bestimmung der sittlichen Gesetze zureichte, nennen müssen). Eben so wenn | ||||||
28 | Psychologie zureichte, um dadurch zur Erkenntniß der Unsterblichkeit der | ||||||
29 | Seele zu gelangen, so würde sie eine Pneumatologie, welche der speculativen | ||||||
30 | Vernunft eben so willkommen wäre, möglich machen. Beide aber, so | ||||||
31 | lieb es auch dem Dünkel der Wißbegierde sein mag, erfüllen nicht den | ||||||
32 | Wunsch der Vernunft in Absicht auf die Theorie, die auf Kenntniß der | ||||||
33 | Natur der Dinge gegründet sein müßte. Ob aber nicht die erstere als | ||||||
34 | Theologie, die zweite als Anthropologie, beide auf das sittliche, d. i. das | ||||||
35 | Freiheitsprincip gegründet, mithin dem praktischen Gebrauche der Vernunft | ||||||
36 | angemessen, ihre objective Endabsicht besser erfüllen, ist eine andere | ||||||
37 | Frage, die wir hier nicht nöthig haben weiter zu verfolgen. | ||||||
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