Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 231 |
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| 01 | subjectiver allgemeiner Gültigkeit ist, derjenigen Denkungsart unterzulegen, | ||||||
| 02 | die nur durch mühsamen Vorsatz erhalten werden kann, aber objectiv | ||||||
| 03 | allgemein gültig ist. Eigentlich aber gewinnt weder die Vollkommenheit | ||||||
| 04 | durch die Schönheit, noch die Schönheit durch die Vollkommenheit; | ||||||
| 05 | sondern weil es nicht vermieden werden kann, wenn wir die Vorstellung, | ||||||
| 06 | wodurch uns ein Gegenstand gegeben wird, mit dem Objecte (in Ansehung | ||||||
| 07 | dessen, was es sein soll) durch einen Begriff vergleichen, sie zugleich mit | ||||||
| 08 | der Empfindung im Subjecte zusammen zu halten, so gewinnt das gesammte | ||||||
| 09 | Vermögen der Vorstellungskraft, wenn beide Gemüthszustände | ||||||
| 10 | zusammen stimmen. | ||||||
| 11 | Ein Geschmacksurtheil würde in Ansehung eines Gegenstandes von | ||||||
| 12 | bestimmtem innern Zwecke nur alsdann rein sein, wenn der Urtheilende | ||||||
| 13 | entweder von diesem Zwecke keinen Begriff hätte, oder in seinem Urtheile | ||||||
| 14 | davon abstrahirte. Aber alsdann würde dieser, ob er gleich ein richtiges | ||||||
| 15 | Geschmacksurtheil fällte, indem er den Gegenstand als freie Schönheit beurtheilte, | ||||||
| 16 | dennoch von dem andern, welcher die Schönheit an ihm nur als | ||||||
| 17 | anhängende Beschaffenheit betrachtet (auf den Zweck des Gegenstandes | ||||||
| 18 | sieht), getadelt und eines falschen Geschmacks beschuldigt werden, obgleich | ||||||
| 19 | beide in ihrer Art richtig urtheilen: der eine nach dem, was er vor den | ||||||
| 20 | Sinnen, der andere nach dem, was er in Gedanken hat. Durch diese Unterscheidung | ||||||
| 21 | kann man manchen Zwist der Geschmacksrichter über Schönheit | ||||||
| 22 | beilegen, indem man ihnen zeigt, daß der eine sich an die freie, der | ||||||
| 23 | andere an die anhängende Schönheit halte, der erstere ein reines, der zweite | ||||||
| 24 | ein angewandtes Geschmacksurtheil fälle. | ||||||
| 25 | § 17. |
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| 26 | Vom Ideale der Schönheit. |
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| 27 | Es kann keine objective Geschmacksregel, welche durch Begriffe bestimmte, | ||||||
| 28 | was schön sei, geben. Denn alles Urtheil aus dieser Quelle ist | ||||||
| 29 | ästhetisch; d. i. das Gefühl des Subjects und kein Begriff eines Objects ist | ||||||
| 30 | sein Bestimmungsgrund. Ein Princip des Geschmacks, welches das allgemeine | ||||||
| 31 | Kriterium des Schönen durch bestimmte Begriffe angäbe, zu suchen, | ||||||
| 32 | ist eine fruchtlose Bemühung, weil, was gesucht wird, unmöglich und an | ||||||
| 33 | sich selbst widersprechend ist. Die allgemeine Mittheilbarkeit der Empfindung | ||||||
| 34 | (des Wohlgefallens oder Mißfallens) und zwar eine solche, die ohne | ||||||
| 35 | Begriff Statt findet, die Einhelligkeit, so viel möglich, aller Zeiten und | ||||||
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