Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 224

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Ein Geschmacksurtheil ist also nur sofern rein, als kein bloß empirisches      
  02 Wohlgefallen dem Bestimmungsgrunde desselben beigemischt      
  03 wird. Dieses aber geschieht allemal, wenn Reiz oder Rührung einen Antheil      
  04 an dem Urtheile haben, wodurch etwas für schön erklärt werden soll.      
           
  05 Nun thun sich wieder manche Einwürfe hervor, die zuletzt den Reiz      
  06 nicht bloß zum nothwendigen Ingrediens der Schönheit, sondern wohl      
  07 gar als für sich allein hinreichend, um schön genannt zu werden, vorspiegeln.      
  08 Eine bloße Farbe, z. B. die grüne eines Rasenplatzes, ein bloßer      
  09 Ton (zum Unterschiede vom Schalle und Geräusch), wie etwa der einer      
  10 Violine, wird von den meisten an sich für schön erklärt; obzwar beide      
  11 bloß die Materie der Vorstellungen, nämlich lediglich Empfindung, zum      
  12 Grunde zu haben scheinen und darum nur angenehm genannt zu werden      
  13 verdienten. Allein man wird doch zugleich bemerken, daß die Empfindungen      
  14 der Farbe sowohl als des Tons sich nur sofern für schön zu gelten      
  15 berechtigt halten, als beide rein sind; welches eine Bestimmung ist, die      
  16 schon die Form betrifft, und auch das einzige, was sich von diesen Vorstellungen      
  17 mit Gewißheit allgemein mittheilen läßt: weil die Qualität      
  18 der Empfindungen selbst nicht in allen Subjecten als einstimmig und die      
  19 Annehmlichkeit einer Farbe, vorzüglich vor der andern, oder des Tons      
  20 eines musikalischen Instruments vor dem eines andern sich schwerlich bei      
  21 jedermann als auf gleiche Art beurtheilt annehmen läßt.      
           
  22 Nimmt man mit Eulern an, daß die Farben gleichzeitig auf einander      
  23 folgende Schläge ( pulsus ) des Äthers, so wie Töne der im Schalle      
  24 erschütterten Luft sind, und, was das Vornehmste ist, das Gemüth nicht      
  25 bloß durch den Sinn die Wirkung davon auf die Belebung des Organs,      
  26 sondern auch durch die Reflexion das regelmäßige Spiel der Eindrücke      
  27 (mithin die Form in der Verbindung verschiedener Vorstellungen) wahrnehme      
  28 (woran ich doch gar nicht zweifle): so würde Farbe und Ton nicht      
  29 bloße Empfindungen, sondern schon formale Bestimmung der Einheit      
  30 eines Mannigfaltigen derselben sein und alsdann auch für sich zu Schönheiten      
  31 gezählt werden können.      
           
  32 Das Reine aber einer einfachen Empfindungsart bedeutet, daß die      
  33 Gleichförmigkeit derselben durch keine fremdartige Empfindung gestört      
  34 und unterbrochen wird, und gehört bloß zur Form: weil man dabei von      
  35 der Qualität jener Empfindungsart (ob und welche Farbe, oder ob und      
  36 welchen Ton sie vorstelle) abstrahiren kann. Daher werden alle einfache      
  37 Farben, sofern sie rein sind, für schön gehalten; die gemischten haben diesen      
           
     

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