Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 175 |
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01 | aus gegebenen Gesetzen durch Schlüsse Folgerungen ziehen, die doch | ||||||
02 | immer nur bei der Natur stehen bleiben. Umgekehrt aber, wo Regeln | ||||||
03 | praktisch sind, ist die Vernunft nicht darum sofort gesetzgebend, weil sie | ||||||
04 | auch technisch=praktisch sein können. | ||||||
05 | Verstand und Vernunft haben also zwei verschiedene Gesetzgebungen | ||||||
06 | auf einem und demselben Boden der Erfahrung, ohne daß eine der anderen | ||||||
07 | Eintrag thun darf. Denn so wenig der Naturbegriff auf die Gesetzgebung | ||||||
08 | durch den Freiheitsbegriff Einfluß hat, eben so wenig stört dieser | ||||||
09 | die Gesetzgebung der Natur. - Die Möglichkeit, das Zusammenbestehen | ||||||
10 | beider Gesetzgebungen und der dazu gehörigen Vermögen in demselben | ||||||
11 | Subject sich wenigstens ohne Widerspruch zu denken, bewies die Kritik | ||||||
12 | der reinen Vernunft, indem sie die Einwürfe dawider durch Aufdeckung | ||||||
13 | des dialektischen Scheins in denselben vernichtete. | ||||||
14 | Aber daß diese zwei verschiedenen Gebiete, die sich zwar nicht in | ||||||
15 | ihrer Gesetzgebung, aber doch in ihren Wirkungen in der Sinnenwelt unaufhörlich | ||||||
16 | einschränken, nicht Eines ausmachen, kommt daher: daß der | ||||||
17 | Naturbegriff zwar seine Gegenstände in der Anschauung, aber nicht als | ||||||
18 | Dinge an sich selbst, sondern als bloße Erscheinungen, der Freiheitsbegriff | ||||||
19 | dagegen in seinem Objecte zwar ein Ding an sich selbst, aber nicht in der | ||||||
20 | Anschauung vorstellig machen, mithin keiner von beiden ein theoretisches | ||||||
21 | Erkenntniß von seinem Objecte (und selbst dem denkenden Subjecte) als | ||||||
22 | Dinge an sich verschaffen kann, welches das Übersinnliche sein würde, wovon | ||||||
23 | man die Idee zwar der Möglichkeit aller jener Gegenstände der Erfahrung | ||||||
24 | unterlegen muß, sie selbst aber niemals zu einem Erkenntnisse | ||||||
25 | erheben und erweitern kann. | ||||||
26 | Es giebt also ein unbegränztes, aber auch unzugängliches Feld für | ||||||
27 | unser gesammtes Erkenntnißvermögen, nämlich das Feld des Übersinnlichen, | ||||||
28 | worin wir keinen Boden für uns finden, also auf demselben weder | ||||||
29 | für die Verstandes= noch Vernunftbegriffe ein Gebiet zum theoretischen | ||||||
30 | Erkenntniß haben können; ein Feld, welches wir zwar zum Behuf des | ||||||
31 | theoretischen sowohl als praktischen Gebrauchs der Vernunft mit Ideen | ||||||
32 | besetzen müssen, denen wir aber in Beziehung auf die Gesetze aus dem | ||||||
33 | Freiheitsbegriffe keine andere als praktische Realität verschaffen können, | ||||||
34 | wodurch demnach unser theoretisches Erkenntniß nicht im Mindesten zu | ||||||
35 | dem Übersinnlichen erweitert wird. | ||||||
36 | Ob nun zwar eine unübersehbare Kluft zwischen dem Gebiete des | ||||||
37 | Naturbegriffs, als dem Sinnlichen, und dem Gebiete des Freiheitsbegriffs, | ||||||
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