Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 103 |
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01 | Vernunft verrichtete Absonderung der Zeit (so wie des Raums) | ||||||
02 | von der Existenz der Dinge an sich selbst. | ||||||
03 | Die hier vorgetragene Auflösung der Schwierigkeit hat aber, wird | ||||||
04 | man sagen, doch viel Schweres in sich und ist einer hellen Darstellung | ||||||
05 | kaum empfänglich. Allein ist denn jede andere, die man versucht hat oder | ||||||
06 | versuchen mag, leichter und faßlicher? Eher möchte man sagen, die dogmatischen | ||||||
07 | Lehrer der Metaphysik hätten mehr ihre Verschmitztheit als Aufrichtigkeit | ||||||
08 | darin bewiesen, daß sie diesen schwierigen Punkt so weit wie | ||||||
09 | möglich aus den Augen brachten, in der Hoffnung, daß, wenn sie davon | ||||||
10 | gar nicht sprächen, auch wohl niemand leichtlich an ihn denken würde. | ||||||
11 | Wenn einer Wissenschaft geholfen werden soll, so müssen alle Schwierigkeiten | ||||||
12 | aufgedeckt und sogar diejenigen aufgesucht werden, die ihr noch | ||||||
13 | so ingeheim im Wege liegen; denn jede derselben ruft ein Hülfsmittel auf, | ||||||
14 | welches, ohne der Wissenschaft einen Zuwachs, es sei an Umfang, oder an | ||||||
15 | Bestimmtheit, zu verschaffen, nicht gefunden werden kann, wodurch also | ||||||
16 | selbst die Hindernisse Beförderungsmittel der Gründlichkeit der Wissenschaft | ||||||
17 | werden. Dagegen, werden die Schwierigkeiten absichtlich verdeckt, | ||||||
18 | oder blos durch Palliativmittel gehoben, so brechen sie über kurz oder lang | ||||||
19 | in unheilbare Übel aus, welche die Wissenschaft in einem gänzlichen | ||||||
20 | Scepticism zu Grunde richten. | ||||||
21 | Da es eigentlich der Begriff der Freiheit ist, der unter allen Ideen | ||||||
22 | der reinen speculativen Vernunft allein so große Erweiterung im Felde | ||||||
23 | des Übersinnlichen, wenn gleich nur in Ansehung des praktischen Erkenntnisses | ||||||
24 | verschafft, so frage ich mich: woher denn ihm ausschließungsweise | ||||||
25 | eine so große Fruchtbarkeit zu Theil geworden sei, indessen | ||||||
26 | die übrigen zwar die leere Stelle für reine mögliche Verstandeswesen | ||||||
27 | bezeichnen, den Begriff von ihnen aber durch nichts bestimmen können. | ||||||
28 | Ich begreife bald, daß, da ich nichts ohne Kategorie denken kann, diese | ||||||
29 | auch in der Idee der Vernunft von der Freiheit, mit der ich mich beschäftige, | ||||||
30 | zuerst müsse aufgesucht werden, welche hier die Kategorie der Causalität | ||||||
31 | ist, und daß, wenn gleich dem Vernunftbegriffe der Freiheit | ||||||
32 | als überschwenglichem Begriffe keine correspondirende Anschauung untergelegt | ||||||
33 | werden kann, dennoch dem Verstandesbegriffe (der Causalität), | ||||||
34 | für dessen Synthesis jener das Unbedingte fordert, zuvor eine sinnliche | ||||||
35 | Anschauung gegeben werden müsse, dadurch ihm zuerst die objective Realität | ||||||
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