Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 063 |
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01 | Guten und Bösen nicht vor dem moralischen Gesetze (dem er | ||||||
02 | dem Anschein nach sogar zum Grunde gelegt werden müßte), | ||||||
03 | sondern nur (wie hier auch geschieht) nach demselben und durch | ||||||
04 | dasselbe bestimmt werden müsse. Wenn wir nämlich auch nicht | ||||||
05 | wüßten, daß das Princip der Sittlichkeit ein reines, a priori den Willen | ||||||
06 | bestimmendes Gesetz sei, so müßten wir doch, um nicht ganz umsonst (gratis) | ||||||
07 | Grundsätze anzunehmen, es anfänglich wenigstens unausgemacht | ||||||
08 | lassen, ob der Wille blos empirische, oder auch reine Bestimmungsgründe | ||||||
09 | a priori habe; denn es ist wider alle Grundregeln des philosophischen | ||||||
10 | Verfahrens, das, worüber man allererst entscheiden soll, schon zum voraus | ||||||
11 | als entschieden anzunehmen. Gesetzt, wir wollten nun vom Begriffe des | ||||||
12 | Guten anfangen, um davon die Gesetze des Willens abzuleiten, so würde | ||||||
13 | dieser Begriff von einem Gegenstande (als einem guten) zugleich diesen | ||||||
14 | als den einigen Bestimmungsgrund des Willens angeben. Weil nun | ||||||
15 | dieser Begriff kein praktisches Gesetz a priori zu seiner Richtschnur hatte, | ||||||
16 | so könnte der Probirstein des Guten oder Bösen in nichts anders, als in | ||||||
17 | der Übereinstimmung des Gegenstandes mit unserem Gefühle der Lust | ||||||
18 | oder Unlust gesetzt werden, und der Gebrauch der Vernunft könnte nur | ||||||
19 | darin bestehen, theils diese Lust oder Unlust im ganzen Zusammenhange | ||||||
20 | mit allen Empfindungen meines Daseins, theils die Mittel, mir den Gegenstand | ||||||
21 | derselben zu verschaffen, zu bestimmen. Da nun, was dem Gefühle | ||||||
22 | der Lust gemäß sei, nur durch Erfahrung ausgemacht werden kann, | ||||||
23 | das praktische Gesetz aber der Angabe nach doch darauf als Bedingung | ||||||
24 | gegründet werden soll, so würde geradezu die Möglichkeit praktischer Gesetze | ||||||
25 | a priori ausgeschlossen: weil man vorher nöthig zu finden meinte, | ||||||
26 | einen Gegenstand für den Willen auszufinden, davon der Begriff als eines | ||||||
27 | Guten den allgemeinen, obzwar empirischen Bestimmungsgrund des | ||||||
28 | Willens ausmachen müsse. Nun aber war doch vorher nöthig zu untersuchen, | ||||||
29 | ob es nicht auch einen Bestimmungsgrund des Willens a priori | ||||||
30 | gebe (welcher niemals irgendwo anders, als an einem reinen praktischen | ||||||
31 | Gesetze, und zwar so fern dieses die bloße gesetzliche Form ohne Rücksicht | ||||||
32 | auf einen Gegenstand den Maximen vorschreibt, wäre gefunden worden). | ||||||
33 | Weil man aber schon einen Gegenstand nach Begriffen des Guten und | ||||||
34 | Bösen zum Grunde alles praktischen Gesetzes legte, jener aber ohne vorhergehendes | ||||||
35 | Gesetz nur nach empirischen Begriffen gedacht werden konnte, | ||||||
36 | so hatte man sich die Möglichkeit, ein reines praktisches Gesetz auch nur zu | ||||||
37 | denken, schon zum voraus benommen; da man im Gegentheil, wenn man | ||||||
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