Kant: AA IV, Metaphysische Anfangsgründe ... , Seite 510  | 
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| 01 | Sinne fallen kann (die bloße Direction der Anziehung würde wahrgenommen | ||||||
| 02 | werden können, wie bei der Schwere: der anziehende Punkt würde unbekannt sein, | ||||||
| 03 | und ich sehe nicht einmal wohl ein, wie er selbst durch Schlüsse ohne Wahrnehmung | ||||||
| 04 | der Materie, so fern sie den Raum erfüllt, sollte ausgemittelt werden). Also ist | ||||||
| 05 | klar: daß die erste Anwendung unserer Begriffe von Größen auf Materie, durch | ||||||
| 06 | die es uns zuerst möglich wird, unsere äußere Wahrnehmungen in dem Erfahrungsbegriffe | ||||||
| 07 | einer Materie als Gegenstandes überhaupt zu verwandeln, nur auf | ||||||
| 08 | ihrer Eigenschaft, dadurch sie einen Raum erfüllt, gegründet sei, welche vermittelst | ||||||
| 09 | des Sinnes des Gefühls uns die Größe und Gestalt eines ausgedehnten, mithin | ||||||
| 10 | von einem bestimmten Gegenstande im Raume einen Begriff verschafft, der | ||||||
| 11 | allem übrigen, was man von diesem Dinge sagen kann, zum Grunde gelegt wird. | ||||||
| 12 | Eben dieses ist ohne Zweifel die Ursache, weswegen man bei den klärsten anderweitigen | ||||||
| 13 | beweisen, daß Anziehung eben so wohl zu den Grundkräften der Materie | ||||||
| 14 | gehören müsse als Zurückstoßung, sich gleichwohl gegen die erstere so sehr sträubt | ||||||
| 15 | und gar keine bewegende Kräfte, als nur durch Stoß und Druck (beides vermittelst | ||||||
| 16 | der Undurchdringlichkeit) einräumen will. Denn wodurch der Raum erfüllt ist, das | ||||||
| 17 | ist die Substanz, sagt man, und das hat auch seine gute Richtigkeit. Da aber | ||||||
| 18 | diese Substanz ihr Dasein uns nicht anders als durch den Sinn, wodurch wir ihre | ||||||
| 19 | Undurchdringlichkeit wahrnehmen, nämlich das Gefühl, offenbart, mithin nur in | ||||||
| 20 | Beziehung auf Berührung, deren Anfang (in der Annäherung einer Materie zur | ||||||
| 21 | andern) der Stoß, die Fortdauer aber ein Druck heißt: so scheint es, als ob alle | ||||||
| 22 | unmittelbare Wirkung einer Materie auf die andere niemals was anders, als | ||||||
| 23 | Druck oder Stoß sein könne, zwei Einflüsse, die wir allein unmittelbar empfinden | ||||||
| 24 | können, dagegen Anziehung, die uns an sich entweder gar keine Empfindung, | ||||||
| 25 | oder doch keinen bestimmten Gegenstand derselben geben kann, uns als Grundkraft | ||||||
| 26 | so schwer in den Kopf will. | ||||||
| 27 | Lehrsatz 6. | 
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| 28 | Durch bloße Anziehungskraft ohne Zurückstoßung ist keine | ||||||
| 29 | Materie möglich. | ||||||
| 30 | Beweis. | 
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| 31 | Anziehungskraft ist die bewegende Kraft der Materie, wodurch sie | ||||||
| 32 | eine andere treibt, sich ihr zu nähern, folglich, wenn sie zwischen allen | ||||||
| 33 | Theilen der Materie angetroffen wird, ist die Materie vermittelst ihrer bestrebt, | ||||||
| 34 | die Entfernung ihrer Theile von einander, mithin auch den Raum, | ||||||
| 35 | den sie zusammen einnehmen, zu verringern. Nun kann nichts die Wirkung | ||||||
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