Kant: AA IV, Metaphysische Anfangsgründe ... , Seite 502 |
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| 01 | auf der Voraussetzung beruht, daß die Materie als solche gar | ||||||
| 02 | keiner Zusammendrückung fähig sei, heißt die absolute Undurchdringlichkeit. | ||||||
| 03 | Die Erfüllung des Raumes mit absoluter Undurchdringlichkeit | ||||||
| 04 | kann die mathematische, die mit blos relativer | ||||||
| 05 | die dynamische Erfüllung des Raums heißen. | ||||||
| 06 | Anmerkung 1. |
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| 07 | Nach dem blos mathematischen Begriffe der Undurchdringlichkeit (der keine | ||||||
| 08 | bewegende Kraft als ursprünglich der Materie eigen voraussetzt) ist keine Materie | ||||||
| 09 | einer Zusammendrückung fähig, als so fern sie leere Räume in sich enthält; mithin | ||||||
| 10 | die Materie als Materie widersteht allem Eindringen schlechterdings und mit absoluter | ||||||
| 11 | Nothwendigkeit. Nach unserer Erörterung dieser Eigenschaft aber beruht | ||||||
| 12 | die Undurchdringlichkeit auf einem physischen Grunde; denn die ausdehnende Kraft | ||||||
| 13 | macht sie selbst als ein Ausgedehntes, das seinen Raum erfüllt, allererst möglich. | ||||||
| 14 | Da aber diese Kraft einen Grad hat, welcher überwältigt, mithin der Raum der | ||||||
| 15 | Ausdehnung verringert, d. i. in denselben bis auf ein gewisses Maß von einer gegebenen | ||||||
| 16 | zusammendrückenden Kraft eingedrungen werden kann, doch so, daß die | ||||||
| 17 | gänzliche Durchdringung, weil sie eine unendliche zusammendrückende Kraft erfordern | ||||||
| 18 | würde, unmöglich ist: so muß die Erfüllung des Raums nur als relative | ||||||
| 19 | Undurchdringlichkeit angesehen werden. | ||||||
| 20 | Anmerkung 2. |
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| 21 | Die absolute Undurchdringlichkeit ist in der That nichts mehr oder weniger, | ||||||
| 22 | als qualitas occulta . Denn man frägt, was die Ursache sei, daß Materien einander | ||||||
| 23 | in ihrer Bewegung nicht durchdringen können, und bekommt die Antwort: weil sie | ||||||
| 24 | undurchdringlich sind. Die Berufung auf zurücktreibende Kraft ist von diesem | ||||||
| 25 | Vorwurfe frei. Denn ob diese gleich ihrer Möglichkeit nach auch nicht weiter erklärt | ||||||
| 26 | werden kann, mithin als Grundkraft gelten muß, so giebt sie doch einen Begriff | ||||||
| 27 | von einer wirkenden Ursache und ihren Gesetzen, nach welchen die Wirkung, | ||||||
| 28 | nämlich der Widerstand in dem erfüllten Raum, ihren Graden nach geschätzt | ||||||
| 29 | werden kann. | ||||||
| 30 | Erklärung 5. |
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| 31 | Materielle Substanz ist dasjenige im Raume, was für | ||||||
| 32 | sich, d. i. abgesondert von allem anderen, was außer ihm im | ||||||
| 33 | Raume existirt, beweglich ist. Die Bewegung eines Theils der | ||||||
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