Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 428 |
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01 | Principien, d. i. praktische Gesetze, an die Hand geben kann. Daher sind | ||||||
02 | alle diese relative Zwecke nur der Grund von hypothetischen Imperativen. | ||||||
03 | Gesetzt aber, es gäbe etwas, dessen Dasein an sich selbst einen | ||||||
04 | absoluten Werth hat, was als Zweck an sich selbst ein Grund bestimmter | ||||||
05 | Gesetze sein könnte, so würde in ihm und nur in ihm allein der Grund | ||||||
06 | eines möglichen kategorischen Imperativs, d. i. praktischen Gesetzes, liegen. | ||||||
07 | Nun sage ich: der Mensch und überhaupt jedes vernünftige Wesen | ||||||
08 | existirt als Zweck an sich selbst, nicht bloß als Mittel zum beliebigen | ||||||
09 | Gebrauche für diesen oder jenen Willen, sondern muß in allen seinen sowohl | ||||||
10 | auf sich selbst, als auch auf andere vernünftige Wesen gerichteten | ||||||
11 | Handlungen jederzeit zugleich als Zweck betrachtet werden. Alle Gegenstände | ||||||
12 | der Neigungen haben nur einen bedingten Werth; denn wenn die | ||||||
13 | Neigungen und darauf gegründete Bedürfnisse nicht wären, so würde ihr | ||||||
14 | Gegenstand ohne Werth sein. Die Neigungen selber aber als Quellen des | ||||||
15 | Bedürfnisses haben so wenig einen absoluten Werth, um sie selbst zu | ||||||
16 | wünschen, daß vielmehr, gänzlich davon frei zu sein, der allgemeine Wunsch | ||||||
17 | eines jeden vernünftigen Wesens sein muß. Also ist der Werth aller durch | ||||||
18 | unsere Handlung zu erwerbenden Gegenstände jederzeit bedingt. Die | ||||||
19 | Wesen, deren Dasein zwar nicht auf unserm Willen, sondern der Natur | ||||||
20 | beruht, haben dennoch, wenn sie vernunftlose Wesen sind, nur einen relativen | ||||||
21 | Werth, als Mittel, und heißen daher Sachen, dagegen vernünftige | ||||||
22 | Wesen Personen genannt werden, weil ihre Natur sie schon als Zwecke | ||||||
23 | an sich selbst, d. i. als etwas, das nicht bloß als Mittel gebraucht werden | ||||||
24 | darf, auszeichnet, mithin so fern alle Willkür einschränkt (und ein Gegenstand | ||||||
25 | der Achtung ist). Dies sind also nicht bloß subjective Zwecke, deren | ||||||
26 | Existenz als Wirkung unserer Handlung für uns einen Werth hat; sondern | ||||||
27 | objective Zwecke, d. i. Dinge, deren Dasein an sich selbst Zweck | ||||||
28 | ist und zwar ein solcher, an dessen statt kein anderer Zweck gesetzt werden | ||||||
29 | kann, dem sie bloß als Mittel zu Diensten stehen sollten, weil ohne | ||||||
30 | dieses überall gar nichts von absolutem Werthe würde angetroffen | ||||||
31 | werden; wenn aber aller Werth bedingt, mithin zufällig wäre, so könnte | ||||||
32 | für die Vernunft überall kein oberstes praktisches Princip angetroffen | ||||||
33 | werden. | ||||||
34 | Wenn es denn also ein oberstes praktisches Princip und in Ansehung | ||||||
35 | des menschlichen Willens einen kategorischen Imperativ geben soll, so mu | ||||||
36 | es ein solches sein, das aus der Vorstellung dessen, was nothwendig für | ||||||
37 | jedermann Zweck ist, weil es Zweck an sich selbst ist, ein objectives | ||||||
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