Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 309 |
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01 | Erscheinungen und ihr Verhältniß, sondern auf die Möglichkeit der Erfahrung, | ||||||
02 | wovon Erscheinungen nur die Materie, nicht aber die Form ausmachen, | ||||||
03 | d. i. auf objectiv= und allgemeingültige synthetische Sätze, worin | ||||||
04 | sich eben Erfahrungsurtheile von bloßen Wahrnehmungsurtheilen unterscheiden, | ||||||
05 | bezogen werden. Dieses geschieht dadurch: daß die Erscheinungen | ||||||
06 | als bloße Anschauungen, welche einen Theil von Raum und Zeit | ||||||
07 | einnehmen, unter dem Begriffe der Größe stehen, welcher das Mannigfaltige | ||||||
08 | derselben a priori nach Regeln synthetisch vereinigt; daß, so fern | ||||||
09 | die Wahrnehmung außer der Anschauung auch Empfindung enthält, zwischen | ||||||
10 | welcher und der Null, d. i. dem völligen Verschwinden derselben, | ||||||
11 | jederzeit ein Übergang durch Verringerung stattfindet, das Reale der Erscheinungen | ||||||
12 | einen Grad haben müsse, so fern sie nämlich selbst keinen | ||||||
13 | Theil von Raum oder Zeit einnimmt *), aber doch der Übergang zu | ||||||
14 | ihr von der leeren Zeit oder Raum nur in der Zeit möglich ist; mithin, | ||||||
15 | obzwar Empfindung als die Qualität der empirischen Anschauung in Ansehung | ||||||
16 | dessen, worin sie sich specifisch von andern Empfindungen unterscheidet, | ||||||
17 | niemals a priori erkannt werden kann, sie dennoch in einer möglichen | ||||||
18 | Erfahrung überhaupt als Größe der Wahrnehmung intensiv von | ||||||
19 | jeder andern gleichartigen unterschieden werden könne; woraus denn die | ||||||
20 | Anwendung der Mathematik auf Natur in Ansehung der sinnlichen Anschauung, | ||||||
21 | durch welche sie uns gegeben wird, zuerst möglich gemacht und | ||||||
22 | bestimmt wird. | ||||||
23 | Am meisten aber muß der Leser auf die Beweisart der Grundsätze, | ||||||
24 | die unter dem Namen der Analogien der Erfahrung vorkommen, aufmerksam | ||||||
25 | sein. Denn weil diese nicht, so wie die Grundsätze der Anwendung | ||||||
26 | der Mathematik auf Naturwissenschaft überhaupt, die Erzeugung der Anschauungen, | ||||||
27 | sondern die Verknüpfung ihres Daseins in einer Erfahrung | ||||||
*) Die Wärme, das Licht etc. sind im kleinen Raume (dem Grade nach) eben so groß, als in einem großen; eben so die innere Vorstellungen, der schmerz, das Bewußtsein überhaupt nicht kleiner dem Grade nach, ob sie eine kurze oder lange Zeit hindurch dauern. Daher ist die Größe hier in einem Punkte und in einem Augenblicke eben so groß als in jedem noch so großen Raume oder Zeit. Grade sind also größer, aber nicht in der Anschauung, sondern der bloßen Empfindung nach oder auch der Größe des Grundes einer Anschauung und können nur durch das Verhältniß von 1 zu 0, d. i. dadurch daß eine jede derselben durch unendliche Zwischengrade bis zum Verschwinden, oder von der Null durch unendliche Momente des Zuwachses bis zu einer bestimmten Empfindung in einer gewissen Zeit erwachsen kann, als Größen geschätzt werden ( quantitas qualitatis est gradus ). | |||||||
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