Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 305 |
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01 | vereinigt werden. Die logische Momente aller Urtheile sind so viel | ||||||
02 | mögliche Arten, Vorstellungen in einem Bewußtsein zu vereinigen. Dienen | ||||||
03 | aber eben dieselben als Begriffe, so sind sie Begriffe von der nothwendigen | ||||||
04 | Vereinigung derselben in einem Bewußtsein, mithin Principien | ||||||
05 | objectiv gültiger Urtheile. Diese Vereinigung in einem Bewußtsein | ||||||
06 | ist entweder analytisch, durch die Identität, oder synthetisch, durch die Zusammensetzung | ||||||
07 | und Hinzukunft verschiedener Vorstellungen zu einander. | ||||||
08 | Erfahrung besteht in der synthetischen Verknüpfung der Erscheinungen | ||||||
09 | (Wahrnehmungen) in einem Bewußtsein, so fern dieselbe nothwendig ist. | ||||||
10 | Daher sind reine Verstandesbegriffe diejenige, unter denen alle Wahrnehmungen | ||||||
11 | zuvor müssen subsumirt werden, ehe sie zu Erfahrungsurtheilen | ||||||
12 | dienen können, in welchen die synthetische Einheit der Wahrnehmungen | ||||||
13 | als nothwendig und allgemeingültig vorgestellt wird.*) | ||||||
14 | § 23. |
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15 | Urtheile, so fern sie blos als die Bedingung der Vereinigung gegebener | ||||||
16 | Vorstellungen in einem Bewußtsein betrachtet werden, sind Regeln. | ||||||
17 | Diese Regeln, so fern sie die Vereinigung als nothwendig vorstellen, sind | ||||||
18 | Regeln a priori, und so fern keine über sie sind, von denen sie abgeleitet | ||||||
19 | werden, Grundsätze. Da nun in Ansehung der Möglichkeit aller Erfahrung, | ||||||
20 | wenn man an ihr blos die Form des Denkens betrachtet, keine Bedingungen | ||||||
21 | der Erfahrungsurtheile über diejenige sind, welche die Erscheinungen | ||||||
22 | nach der verschiedenen Form ihrer Anschauung unter reine Verstandesbegriffe | ||||||
*) Wie stimmt aber dieser Satz, daß Erfahrungsurtheile nothwendigkeit in der Synthesis der Wahrnehmungen enthalten sollen, mit meinem oben vielfältig eingeschärften Satze, daß Erfahrung als Erkenntniß a posteriori blos zufällige Urtheile geben könne? Wenn ich sage: Erfahrung lehrt mir etwas, so meine ich jederzeit nur die Wahrnehmung, die in ihr liegt, z. B. daß auf die Beleuchtung des Steins durch die Sonne jederzeit Wärme folge, und also ist der Erfahrungssatz so fern allemal zufällig. Daß diese Erwärmung nothwendig aus der Beleuchtung durch die Sonne erfolge, ist zwar in dem Erfahrungsurtheile (vermöge des Begriffs der Ursache) enthalten, aber das lerne ich nicht durch Erfahrung, sondern umgekehrt, Erfahrung wird allererst durch diesen Zusatz des Verstandesbegriffs (der Ursache) zur Wahrnehmung erzeugt. Wie die Wahrnehmung zu diesem Zusatze komme, darüber muß die Kritik im Abschnitte von der transscendentalen Urtheilskraft Seite 137 u. f. nachgesehen werden. | |||||||
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