Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 294 |
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01 | sogenannten transscendentalen, besser kritischen Idealism haben abgehalten | ||||||
02 | werden sollen. | ||||||
03 | Der transscendentalen Hauptfrage |
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04 | Zweiter Theil. |
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05 | Wie ist reine Naturwissenschaft möglich? |
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06 | § 14. |
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07 | Natur ist das Dasein der Dinge, so fern es nach allgemeinen Gesetzen | ||||||
08 | bestimmt ist. Sollte Natur das Dasein der Dinge an sich selbst | ||||||
09 | bedeuten, so würden wir sie niemals weder a priori noch a posteriori erkennen | ||||||
10 | können. Nicht a priori; denn wie wollen wir wissen, was den | ||||||
11 | Dingen an sich selbst zukomme, da dieses niemals durch Zergliederung | ||||||
12 | unserer Begriffe (analytische Sätze) geschehen kann, weil ich nicht wissen | ||||||
13 | will, was in meinem Begriffe von einem Dinge enthalten sei (denn das | ||||||
14 | gehört zu seinem logischen Wesen), sondern was in der Wirklichkeit des | ||||||
15 | Dinges zu diesem Begriff hinzukomme, und wodurch das Ding selbst in | ||||||
16 | seinem Dasein außer meinem Begriffe bestimmt sei. Mein Verstand und | ||||||
17 | die Bedingungen, unter denen er allein die Bestimmungen der Dinge in | ||||||
18 | ihrem Dasein verknüpfen kann, schreibt den Dingen selbst keine Regel vor; | ||||||
19 | diese richten sich nicht nach meinem Verstande, sondern mein Verstand | ||||||
20 | müßte sich nach ihnen richten; sie müßten also mir vorher gegeben sein, | ||||||
21 | um diese Bestimmungen von ihnen abzunehmen; alsdann aber wären sie | ||||||
22 | nicht a priori erkannt. | ||||||
23 | Auch a posteriori wäre eine solche Erkenntniß der Natur der Dinge | ||||||
24 | an sich selbst unmöglich. Denn wenn mich Erfahrung Gesetze, unter | ||||||
25 | denen das Dasein der Dinge steht, lehren soll, so müßten diese, so fern sie | ||||||
26 | Dinge an sich selbst betreffen, auch außer meiner Erfahrung ihnen nothwendig | ||||||
27 | zukommen. Nun lehrt mich die Erfahrung zwar, was dasei, und | ||||||
28 | wie es sei, niemals aber, daß es nothwendiger Weise so und nicht anders | ||||||
29 | sein müsse. Also kann sie die Natur der Dinge an sich selbst niemals | ||||||
30 | lehren. | ||||||
31 | § 15. |
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32 | Nun sind wir gleichwohl wirklich im Besitze einer reinen Naturwissenschaft, | ||||||
33 | die a priori und mit aller derjenigen Nothwendigkeit, welche zu apodiktischen | ||||||
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