Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 267

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 indem er zu meinem Begriffe etwas hinzuthut, und muß daher ein      
  02 synthetisches Urtheil heißen.      
           
  03
b)
     
  04
Das gemeinschaftliche Prinzip aller analytischen Urtheile
     
  05
ist der Satz des Widerspruchs.
     
           
  06 Alle analytische Urtheile beruhen gänzlich auf dem Satze des Widerspruchs      
  07 und sind ihrer Natur nach Erkenntnisse a priori, die Begriffe, die      
  08 ihnen zur Materie dienen, mögen empirisch sein, oder nicht. Denn weil      
  09 das Prädicat eines bejahenden analytischen Urtheils schon vorher im Begriffe      
  10 des Subjects gedacht wird, so kann es von ihm ohne Widerspruch      
  11 nicht verneint werden; ebenso wird sein Gegentheil in einem analytischen,      
  12 aber verneinenden Urtheile nothwendig von dem Subject verneint und      
  13 zwar auch zufolge dem Satze des Widerspruchs. So ist es mit den Sätzen:      
  14 Jeder Körper ist ausgedehnt, und: Kein Körper ist unausgedehnt (einfach),      
  15 beschaffen.      
           
  16 Eben darum sind auch alle analytische Sätze Urtheile a priori, wenn      
  17 gleich ihre Begriffe empirisch sind, z. B. Gold ist ein gelbes Metall; denn um      
  18 dieses zu wissen, brauche ich keiner weitern Erfahrung außer meinem Begriffe      
  19 vom Golde, der enthielte, daß dieser Körper gelb und Metall sei:      
  20 denn dieses machte eben meinen Begriff aus, und ich durfte nichts thun als      
  21 diesen zergliedern, ohne mich außer demselben wornach anders umzusehen.      
           
  22
c)
     
  23
Synthetische Urtheile bedürfen ein anderes Prinzip
     
  24
als den Satz des Widerspruchs.
     
           
  25 Es giebt synthetische Urtheile a posteriori, deren Ursprung empirisch      
  26 ist; aber es giebt auch deren, die a priori gewiß sind, und die aus reinem      
  27 Verstande und Vernunft entspringen. Beide kommen aber darin überein,      
  28 daß sie nach dem Grundsatze der Analysis, nämlich dem Satze des      
  29 Widerspruchs, allein nimmermehr entspringen können; sie erfordern noch      
  30 ein ganz anderes Prinzip, ob sie zwar aus jedem Grundsatze, welcher er      
  31 auch sei, jederzeit dem Satze des Widerspruchs gemäß abgeleitet      
  32 werden müssen, denn nichts darf diesem Grundsatze zuwider sein, obgleich      
  33 eben nicht alles daraus abgeleitet werden kann. Ich will die synthetischen      
  34 Urtheile zuvor unter Classen bringen.      
           
           
     

[ Seite 266 ] [ Seite 268 ] [ Inhaltsverzeichnis ]