Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 236 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | gegeben, und es ist auch unmöglich, daß in diesem Raume | ||||||
02 | irgend etwas außer uns (im transscendentalen Sinne) gegeben werden | ||||||
03 | sollte, weil der Raum selbst außer unserer Sinnlichkeit nichts ist. Also | ||||||
04 | kann der strengste Idealist nicht verlangen, man solle beweisen, daß unserer | ||||||
05 | Wahrnehmung der Gegenstand außer uns (in stricter Bedeutung) entspreche. | ||||||
06 | Denn wenn es dergleichen gäbe, so würde es doch nicht als außer | ||||||
07 | uns vorgestellt und angeschauet werden können, weil dieses den Raum voraussetzt, | ||||||
08 | und die Wirklichkeit im Raume als einer bloßen Vorstellung nichts | ||||||
09 | anders als die Wahrnehmung selbst ist. Das Reale äußerer Erscheinungen | ||||||
10 | ist also wirklich nur in der Wahrnehmung und kann auf keine andere | ||||||
11 | Weise wirklich sein. | ||||||
12 | Aus Wahrnehmungen kann nun entweder durch ein bloßes Spiel der | ||||||
13 | Einbildung, oder auch vermittelst der Erfahrung Erkenntniß der Gegenstände | ||||||
14 | erzeugt werden. Und da können allerdings trügliche Vorstellungen | ||||||
15 | entspringen, denen die Gegenstände nicht entsprechen und wobei die Täuschung | ||||||
16 | bald einem Blendwerke der Einbildung (im Traume), bald einem | ||||||
17 | Fehltritte der Urtheilskraft (beim sogenannten Betruge der Sinne) beizumessen | ||||||
18 | ist. Um nun hierin dem falschen Scheine zu entgehen, verfährt | ||||||
19 | man nach der Regel: Was mit einer Wahrnehmung nach empirischen | ||||||
20 | Gesetzen zusammenhängt, ist wirklich. Allein diese Täuschung | ||||||
21 | sowohl, als die Verwahrung wider dieselbe trifft eben sowohl den | ||||||
22 | Idealism als den Dualism, indem es dabei nur um die Form der Erfahrung | ||||||
23 | zu thun ist. Den empirischen Idealismus, als eine falsche Bedenklichkeit | ||||||
24 | wegen der objektiven Realität unserer äußeren Wahrnehmungen, | ||||||
25 | zu widerlegen, ist schon hinreichend: daß äußere Wahrnehmung eine | ||||||
26 | Wirklichkeit im Raume unmittelbar beweise, welcher Raum, ob er zwar | ||||||
27 | an sich nur bloße Form der Vorstellungen ist, dennoch in Ansehung aller | ||||||
28 | äußeren Erscheinungen (die auch nichts anders als bloße Vorstellungen | ||||||
29 | sind) objective Realität hat; imgleichen: daß ohne Wahrnehmung selbst | ||||||
30 | die Erdichtung und der Traum nicht möglich seien, unsere äußere Sinne | ||||||
31 | also den datis nach, woraus Erfahrung entspringen kann, ihre wirkliche | ||||||
32 | correspondirende Gegenstände im Raume haben. | ||||||
33 | Der dogmatische Idealist würde derjenige sein, der das Dasein | ||||||
34 | der Materie läugnet, der sceptische, der sie bezweifelt, weil er sie | ||||||
35 | für unerweislich hält. Der erstere kann es nur darum sein, weil er in der | ||||||
36 | Möglichkeit einer Materie überhaupt Widersprüche zu finden glaubt; und | ||||||
37 | mit diesem haben wir es jetzt noch nicht zu thun. Der folgende Abschnitt | ||||||
[ Seite 235 ] [ Seite 237 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |