Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 199 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | der reinen Vernunft ausgemacht werden kann, so können wir darauf noch | ||||||
02 | nicht Rücksicht nehmen, sondern werden vorläufig, so wie wir die reine Verstandesbegriffe | ||||||
03 | Kategorien nannten, die Begriffe der reinen Vernunft mit | ||||||
04 | einem neuen Namen belegen und sie transscendentale Ideen nennen, diese | ||||||
05 | Benennung aber jetzt erläutern und rechtfertigen. | ||||||
06 | Des |
||||||
07 | Ersten Buchs der transscendentalen Dialektik |
||||||
08 | Erster Abschnitt. |
||||||
09 | Von den Ideen überhaupt. |
||||||
10 | Bei dem großen Reichthum unserer Sprachen findet sich doch oft der | ||||||
11 | denkende Kopf wegen des Ausdrucks verlegen, der seinem Begriffe genau | ||||||
12 | anpaßt, und in dessen Ermangelung er weder andern, noch sogar sich selbst | ||||||
13 | recht verständlich werden kann. Neue Wörter zu schmieden, ist eine Anmaßung | ||||||
14 | zum Gesetzgeben in Sprachen, die selten gelingt, und ehe man zu | ||||||
15 | diesem verzweifelten Mittel schreitet, ist es rathsam, sich in einer todten und | ||||||
16 | gelehrten Sprache umzusehen, ob sich daselbst nicht dieser Begriff sammt | ||||||
17 | seinem angemessenen Ausdrucke vorfinde; und wenn der alte Gebrauch | ||||||
18 | desselben durch Unbehutsamkeit seiner Urheber auch etwas schwankend geworden | ||||||
19 | wäre, so ist es doch besser, die Bedeutung, die ihm vorzüglich eigen | ||||||
20 | war, zu befestigen (sollte es auch zweifelhaft bleiben, ob man damals genau | ||||||
21 | eben dieselbe im Sinne gehabt habe), als sein Geschäfte nur dadurch | ||||||
22 | zu verderben, daß man sich unverständlich machte. | ||||||
23 | Um deswillen wenn sich etwa zu einem gewissen Begriffe nur ein | ||||||
24 | einziges Wort vorfände, das in schon eingeführter Bedeutung diesem Begriffe | ||||||
25 | genau anpaßt, dessen Unterscheidung von andern verwandten Begriffen | ||||||
26 | von großer Wichtigkeit ist, so ist es rathsam, damit nicht verschwenderisch | ||||||
27 | umzugehen, oder es blos zur Abwechselung synonymisch statt anderer | ||||||
28 | zu gebrauchen, sondern ihm seine eigenthümliche Bedeutung sorgfältig aufzubehalten; | ||||||
29 | weil es sonst leichtlich geschieht, daß, nachdem der Ausdruck | ||||||
30 | die Aufmerksamkeit nicht besonders beschäftigt, sondern sich unter dem | ||||||
31 | Haufen anderer von sehr abweichender Bedeutung verliert, auch der Gedanke | ||||||
32 | verloren gehe, den er allein hätte aufbehalten können. | ||||||
33 | Plato bediente sich des Ausdrucks Idee so, daß man wohl sieht, er | ||||||
34 | habe darunter etwas verstanden, was nicht allein niemals von den Sinnen | ||||||
[ Seite 198 ] [ Seite 200 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |