Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 132

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 jederzeit voraus, daß irgend etwas vorausgehe, worauf es nach einer Regel      
  02 folgt. Denn ohne dieses würde ich nicht von dem Object sagen, daß es      
  03 folge, weil die bloße Folge in meiner Apprehension, wenn sie nicht durch      
  04 eine Regel in Beziehung auf ein Vorhergehendes bestimmt ist, keine Folge      
  05 im Objecte berechtigt. Also geschieht es immer in Rücksicht auf eine Regel,      
  06 nach welcher die Erscheinungen in ihrer Folge, d. i. so wie sie geschehen,      
  07 durch den vorigen Zustand bestimmt sind, daß ich meine subjective Synthesis      
  08 (der Apprehension) objectiv mache, und nur lediglich unter dieser      
  09 Voraussetzung allein ist selbst die Erfahrung von etwas, was geschieht,      
  10 möglich.      
           
  11 Zwar scheint es, als widerspreche dieses allen Bemerkungen, die man      
  12 jederzeit über den Gang unseres Verstandesgebrauchs gemacht hat, nach      
  13 welchen wir nur allererst durch die wahrgenommenen und verglichenen      
  14 übereinstimmenden Folgen vieler Begebenheiten auf vorhergehende Erscheinungen,      
  15 eine Regel zu entdecken, geleitet worden, der gemäß gewisse      
  16 Begebenheiten auf gewisse Erscheinungen jederzeit folgen, und dadurch      
  17 zuerst veranlaßt worden, uns den Begriff von Ursache zu machen. Auf      
  18 solchen Fuß würde dieser Begriff blos empirisch sein, und die Regel, die      
  19 er verschafft, daß alles, was geschieht, eine Ursache habe, würde eben so      
  20 zufällig sein als die Erfahrung selbst: seine Allgemeinheit und Nothwendigkeit      
  21 wären alsdann nur angedichtet und hätten keine wahre allgemeine      
  22 Gültigkeit, weil sie nicht a priori, sondern nur auf Induction gegründet      
  23 wären. Es geht aber hiemit so, wie mit andern reinen Vorstellungen      
  24 a priori (z. B. Raum und Zeit), die wir darum allein aus der Erfahrung      
  25 als klare Begriffe herausziehen können, weil wir sie in die Erfahrung gelegt      
  26 hatten und diese daher durch jene allererst zu Stande brachten. Freilich      
  27 ist die logische Klarheit dieser Vorstellung einer die Reihe der Begebenheiten      
  28 bestimmenden Regel als eines Begriffs von Ursache nur alsdann      
  29 möglich, wenn wir davon in der Erfahrung Gebrauch gemacht haben;      
  30 aber eine Rücksicht auf dieselbe als Bedingung der synthetischen Einheit      
  31 der Erscheinungen in der Zeit war doch der Grund der Erfahrung selbst      
  32 und ging also a priori vor ihr vorher.      
           
  33 Es kommt also darauf an, im Beispiele zu zeigen, daß wir niemals,      
  34 selbst in der Erfahrung, die Folge (einer Begebenheit, da etwas geschieht,      
  35 was vorher nicht war) dem Object beilegen und sie von der subjectiven      
  36 unserer Apprehension unterscheiden, als wenn eine Regel zum Grunde      
  37 liegt, die uns nöthigt, diese Ordnung der Wahrnehmungen vielmehr als      
           
     

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