Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 114 |
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| 01 | gegebener Theile) angeschaut, welches eben nicht der Fall bei jeder Art | ||||||
| 02 | Größen, sondern nur derer ist, die von uns extensiv als solche vorgestellt | ||||||
| 03 | und apprehendirt werden. | ||||||
| 04 | Auf diese successive Synthesis der productiven Einbildungskraft in | ||||||
| 05 | der Erzeugung der Gestalten gründet sich die Mathematik der Ausdehnung | ||||||
| 06 | (Geometrie) mit ihren Axiomen, welche die Bedingungen der sinnlichen | ||||||
| 07 | Anschauung a priori ausdrücken, unter denen allein das Schema eines | ||||||
| 08 | reinen Begriffs der äußeren Erscheinung zu Stande kommen kann; z. E. | ||||||
| 09 | zwischen zwei Punkten ist nur eine gerade Linie möglich, zwei gerade | ||||||
| 10 | Linien schließen keinen Raum ein etc.. Dies sind die Axiomen, welche eigentlich | ||||||
| 11 | nur Größen ( quanta ) als solche betreffen. | ||||||
| 12 | Was aber die Größe ( quantitas ), d. i. die Antwort auf die Frage: | ||||||
| 13 | wie groß etwas sei, betrifft, so giebt es in Ansehung derselben, obgleich | ||||||
| 14 | verschiedene dieser Sätze synthetisch und unmittelbar gewiß ( indemonstrabilia ) | ||||||
| 15 | sind, dennoch im eigentlichen Verstande keine Axiomen. Denn | ||||||
| 16 | daß Gleiches zu Gleichem hinzugethan oder von diesem abgezogen ein | ||||||
| 17 | Gleiches gebe, sind analytische Sätze, indem ich mir der Identität der einen | ||||||
| 18 | Größenerzeugung mit der andern unmittelbar bewußt bin; Axiomen aber | ||||||
| 19 | sollen synthetische Sätze a priori sein. Dagegen sind die evidente Sätze des | ||||||
| 20 | Zahlverhältnisses zwar allerdings synthetisch, aber nicht allgemein, wie | ||||||
| 21 | die der Geometrie, und eben um deswillen auch nicht Axiomen, sondern | ||||||
| 22 | können Zahlformeln genannt werden. Daß 7+5 = 12 sei, ist kein analytischer | ||||||
| 23 | Satz. Denn ich denke weder in der Vorstellung von 7, noch von | ||||||
| 24 | 5, noch in der Vorstellung von der Zusammensetzung beider die Zahl 12 | ||||||
| 25 | (daß ich diese in der Addition beider denken solle, davon ist hier nicht | ||||||
| 26 | die Rede; denn bei dem analytischen Satze ist nur die Frage, ob ich das | ||||||
| 27 | Prädicat wirklich in der Vorstellung des Subjects denke). Ob er aber gleich | ||||||
| 28 | synthetisch ist, so ist er doch nur ein einzelner Satz. So fern hier blos auf | ||||||
| 29 | die Synthesis des Gleichartigen (der Einheiten) gesehen wird, so kann die | ||||||
| 30 | Synthesis hier nur auf eine einzige Art geschehen, wiewohl der Gebrauch | ||||||
| 31 | dieser Zahlen nachher allgemein ist. Wenn ich sage: durch drei Linien, | ||||||
| 32 | deren zwei zusammengenommen größer sind als die dritte, läßt sich ein | ||||||
| 33 | Triangel zeichnen, so habe ich hier die bloße Function der productiven | ||||||
| 34 | Einbildungskraft, welche die Linien größer und kleiner ziehen, imgleichen | ||||||
| 35 | nach allerlei beliebigen Winkeln kann zusammenstoßen lassen. Dagegen | ||||||
| 36 | ist die Zahl 7 nur auf eine einzige Art möglich und auch die Zahl 12, die | ||||||
| 37 | durch die Synthesis der ersteren mit 5 erzeugt wird. Dergleichen Sätze | ||||||
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