Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 091 |
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| 01 | (nahe oder entfernte) ist eine nothwendige Folge einer Synthesis | ||||||
| 02 | in der Einbildungskraft, die a priori auf Regeln gegründet ist. | ||||||
| 03 | Die Einbildungskraft ist also auch ein Vermögen einer Synthesis | ||||||
| 04 | a priori, weswegen wir ihr den Namen der productiven Einbildungskraft | ||||||
| 05 | geben; und so fern sie in Ansehung alles Mannigfaltigen der Erscheinung | ||||||
| 06 | nichts weiter, als die nothwendige Einheit in der Synthesis derselben zu | ||||||
| 07 | ihrer Absicht hat, kann diese die transscendentale Function der Einbildungskraft | ||||||
| 08 | genannt werden. Es ist daher zwar befremdlich, allein aus | ||||||
| 09 | dem bisherigen doch einleuchtend, daß nur vermittelst dieser transscendentalen | ||||||
| 10 | Function der Einbildungskraft sogar die Affinität der Erscheinungen, | ||||||
| 11 | mit ihr die Association und durch diese endlich die Reproduction | ||||||
| 12 | nach Gesetzen, folglich die Erfahrung selbst möglich werde: weil ohne sie | ||||||
| 13 | gar keine Begriffe von Gegenständen in eine Erfahrung zusammenfließen | ||||||
| 14 | würden. | ||||||
| 15 | Denn das stehende und bleibende Ich (der reinen Apperception) | ||||||
| 16 | macht das Correlatum aller unserer Vorstellungen aus, so fern es blos | ||||||
| 17 | möglich ist, sich ihrer bewußt zu werden, und alles Bewußtsein gehört eben | ||||||
| 18 | so wohl zu einer allbefassenden reinen Apperception, wie alle sinnliche | ||||||
| 19 | Anschauung als Vorstellung zu einer reinen innern Anschauung, nämlich | ||||||
| 20 | der Zeit. Diese Apperception ist es nun, welche zu der reinen Einbildungskraft | ||||||
| 21 | hinzukommen muß, um ihre Function intellectuell zu machen. | ||||||
| 22 | Denn an sich selbst ist die Synthesis der Einbildungskraft, obgleich a priori | ||||||
| 23 | ausgeübt, dennoch jederzeit sinnlich, weil sie das Mannigfaltige nur | ||||||
| 24 | so verbindet, wie es in der Anschauung erscheint, z. B. die Gestalt eines | ||||||
| 25 | Triangels. Durch das Verhältniß des Mannigfaltigen aber zur Einheit | ||||||
| 26 | der Apperception werden Begriffe, welche dem Verstande angehören, aber | ||||||
| 27 | nur vermittelst der Einbildungskraft in Beziehung auf die sinnliche Anschauung, | ||||||
| 28 | zu Stande kommen können. | ||||||
| 29 | Wir haben also eine reine Einbildungskraft als ein Grundvermögen | ||||||
| 30 | der menschlichen Seele, das aller Erkenntniß a priori zum Grunde liegt. | ||||||
| 31 | Vermittelst deren bringen wir das Mannigfaltige der Anschauung einerseits | ||||||
| 32 | mit der Bedingung der nothwendigen Einheit der reinen Apperception | ||||||
| 33 | andererseits in Verbindung. Beide äußerste Enden, nämlich Sinnlichkeit | ||||||
| 34 | und Verstand, müssen vermittelst dieser transscendentalen Function | ||||||
| 35 | der Einbildungskraft nothwendig zusammenhängen: weil jene sonst zwar | ||||||
| 36 | Erscheinungen, aber keine Gegenstände eines empirischen Erkenntnisses, | ||||||
| 37 | mithin keine Erfahrung geben würde. Die wirkliche Erfahrung, welche | ||||||
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