Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 011

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Form derselben betreffen, als wesentliche Forderungen anzusehen, die man      
  02 an den Verfasser, der sich an eine so schlüpfrige Unternehmung wagt, mit      
  03 Recht thun kann.      
           
  04 Was nun die Gewißheit betrifft, so habe ich mir selbst das Urtheil      
  05 gesprochen: daß es in dieser Art von Betrachtungen auf keine Weise erlaubt      
  06 sei, zu meinen und daß alles, was darin einer Hypothese nur ähnlich      
  07 sieht, verbotene Waare sei, die auch nicht für den geringsten Preis      
  08 feil stehen darf, sondern, so bald sie entdeckt wird, beschlagen werden muß.      
  09 Denn das kündigt eine jede Erkenntniß, die a priori fest stehen soll, selbst      
  10 an: daß sie für schlechthin nothwendig gehalten werden will, und eine Bestimmung      
  11 aller reinen Erkenntnisse a priori noch viel mehr, die das Richtmaß,      
  12 mithin selbst das Beispiel aller apodiktischen (philosophischen) Gewißheit      
  13 sein soll. Ob ich nun das, wozu ich mich anheischig mache, in      
  14 diesem Stücke geleistet habe, das bleibt gänzlich dem Urtheile des Lesers      
  15 anheim gestellt, weil es dem Verfasser nur geziemt, Gründe vorzulegen,      
  16 nicht aber über die Wirkung derselben bei seinen Richtern zu urtheilen.      
  17 Damit aber nicht etwas unschuldigerweise an der Schwächung derselben      
  18 Ursache sei, so mag es ihm wohl erlaubt sein, diejenige Stellen, die zu      
  19 einigem Mißtrauen Anlaß geben könnten, ob sie gleich nur den Nebenzweck      
  20 angehen, selbst anzumerken, um den Einfluß, den auch nur die mindeste      
  21 Bedenklichkeit des Lesers in diesem Punkte auf sein Urtheil in Ansehung      
  22 des Hauptzwecks haben möchte, bei Zeiten abzuhalten.      
           
  23 Ich kenne keine Untersuchungen, die zu Ergründung des Vermögens,      
  24 welches wir Verstand nennen, und zugleich zu Bestimmung der Regeln      
  25 und Gränzen seines Gebrauchs wichtiger wären, als die, welche ich in      
  26 dem zweiten Hauptstücke der transscendentalen Analytik unter dem Titel      
  27 der Deduction der reinen Verstandesbegriffe angestellt habe;      
  28 auch haben sie mir die meiste, aber, wie ich hoffe, nicht unvergoltene Mühe      
  29 gekostet. Diese Betrachtung, die etwas tief angelegt ist, hat aber zwei      
  30 Seiten. Die eine bezieht sich auf die Gegenstände des reinen Verstandes      
  31 und soll die objective Gültigkeit seiner Begriffe a priori darthun und begreiflich      
  32 machen; eben darum ist sie auch wesentlich zu meinen Zwecken      
  33 gehörig. Die andere geht darauf aus, den reinen Verstand selbst nach      
  34 seiner Möglichkeit und den Erkenntnißkräften, auf denen er selbst beruht,      
  35 mithin ihn in subjectiver Beziehung zu betrachten; und obgleich diese Erörterung      
  36 in Ansehung meines Hauptzwecks von großer Wichtigkeit ist, so      
  37 gehört sie doch nicht wesentlich zu demselben, weil die Hauptfrage immer      
           
     

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