Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 527

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Vernunft mit ihnen verknüpft, ohne jene Voraussetzung wegfallen müßte.      
  02 Daher auch jedermann die moralischen Gesetze als Gebote ansieht, welches      
  03 sie aber nicht sein könnten, wenn sie nicht a priori angemessene Folgen      
  04 mit ihrer Regel verknüpften und also Verheißungen und Drohungen      
  05 bei sich führten. Dieses können sie aber auch nicht thun, wo sie      
  06 nicht in einem nothwendigen Wesen als dem höchsten Gut liegen, welches      
  07 eine solche zweckmäßige Einheit allein möglich machen kann.      
           
  08 Leibniz nannte die Welt, so fern man darin nur auf die vernünftigen      
  09 Wesen und ihren Zusammenhang nach moralischen Gesetzen unter der Regierung      
  10 des höchsten Guts Acht hat, das Reich der Gnaden und Unterschied      
  11 es vom Reiche der Natur, da sie zwar unter moralischen Gesetzen      
  12 stehen, aber keine andere Erfolge ihres Verhaltens erwarten, als nach dem      
  13 Laufe der Natur unserer Sinnenwelt. Sich also im Reiche der Gnaden      
  14 zu sehen, wo alle Glückseligkeit auf uns wartet, außer so fern wir unsern      
  15 Antheil an derselben durch die Unwürdigkeit, glücklich zu sein, nicht selbst      
  16 einschränken, ist eine praktisch nothwendige Idee der Vernunft.      
           
  17 Praktische Gesetze, so fern sie zugleich subjective Gründe der Handlungen,      
  18 d. i. subjective Grundsätze, werden, heißen Maximen. Die Beurtheilung      
  19 der Sittlichkeit ihrer Reinigkeit und Folgen nach geschieht      
  20 nach Ideen, die Befolgung ihrer Gesetze nach Maximen.      
           
  21 Es ist nothwendig, daß unser ganzer Lebenswandel sittlichen Maximen      
  22 untergeordnet werde; es ist aber zugleich unmöglich, daß dieses geschehe,      
  23 wenn die Vernunft nicht mit dem moralischen Gesetze, welches eine      
  24 bloße Idee ist, eine wirkende Ursache verknüpft, welche dem Verhalten      
  25 nach demselben einen unseren höchsten Zwecken genau entsprechenden Ausgang,      
  26 es sei in diesem, oder einem anderen Leben, bestimmt. Ohne also      
  27 einen Gott und eine für uns jetzt nicht sichtbare, aber gehoffte Welt sind      
  28 die herrlichen Ideen der Sittlichkeit zwar Gegenstände des Beifalls und      
  29 der Bewunderung, aber nicht Triebfedern des Vorsatzes und der Ausübung,      
  30 weil sie nicht den ganzen Zweck, der einem jeden vernünftigen      
  31 Wesen natürlich und durch eben dieselbe reine Vernunft a priori bestimmt      
  32 und nothwendig ist, erfüllen.      
           
  33 Glückseligkeit allein ist für unsere Vernunft bei weitem nicht das vollständige      
  34 Gut. Sie billigt solche nicht (so sehr als auch Neigung dieselbe      
  35 wünschen mag), wofern sie nicht mit der Würdigkeit, glücklich zu sein, d. i.      
  36 dem sittlichen Wohlverhalten, vereinigt ist. Sittlichkeit allein und mit ihr      
  37 die bloße Würdigkeit, glücklich zu sein, ist aber auch noch lange nicht das      
           
     

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