Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 409 |
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01 | wollte, welches denn unter allen Dingen dafür angesehen werden müsse, | ||||||
02 | nicht antworten: Dies hier ist das nothwendige Wesen. | ||||||
03 | Es mag wohl erlaubt sein, das Dasein eines Wesens von der höchsten | ||||||
04 | Zulänglichkeit als Ursache zu allen möglichen Wirkungen anzunehmen, | ||||||
05 | um der Vernunft die Einheit der Erklärungsgründe, welche sie sucht, zu | ||||||
06 | erleichtern. Allein sich so viel herauszunehmen, daß man sogar sage: ein | ||||||
07 | solches Wesen existirt nothwendig, ist nicht mehr die bescheidene | ||||||
08 | Äußerung einer erlaubten Hypothese, sondern die dreiste Anmaßung einer | ||||||
09 | apodiktischen Gewißheit; denn was man als schlechterdings nothwendig zu | ||||||
10 | erkennen vorgiebt, davon muß auch die Erkenntniß absolute Nothwendigkeit | ||||||
11 | bei sich führen. | ||||||
12 | Die ganze Aufgabe des transscendentalen Ideals kommt darauf an: | ||||||
13 | entweder zu der absoluten Nothwendigkeit einen Begriff, oder zu dem Begriffe | ||||||
14 | von irgend einem Dinge die absolute Nothwendigkeit desselben zu | ||||||
15 | finden. Kann man das eine, so muß man auch das andere können; denn | ||||||
16 | als schlechthin nothwendig erkennt die Vernunft nur dasjenige, was aus | ||||||
17 | seinem Begriffe nothwendig ist. Aber beides übersteigt gänzlich alle äußerste | ||||||
18 | Bestrebungen, unseren Verstand über diesen Punkt zu befriedigen, aber | ||||||
19 | auch alle Versuche, ihn wegen dieses seines Unvermögens zu beruhigen. | ||||||
20 | Die unbedingte Nothwendigkeit, die wir als den letzten Träger aller | ||||||
21 | Dinge so unentbehrlich bedürfen, ist der wahre Abgrund für die menschliche | ||||||
22 | Vernunft. Selbst die Ewigkeit, so schauderhaft erhaben sie auch ein | ||||||
23 | Haller schildern mag, macht lange den schwindelichten Eindruck nicht auf | ||||||
24 | das Gemüth; denn sie mißt nur die Dauer der Dinge, aber trägt sie | ||||||
25 | nicht. Man kann sich des Gedanken nicht erwehren, man kann ihn aber | ||||||
26 | auch nicht ertragen, daß ein Wesen, welches wir uns auch als das höchste | ||||||
27 | unter allen möglichen vorstellen, gleichsam zu sich selbst sage: Ich bin von | ||||||
28 | Ewigkeit zu Ewigkeit, außer mir ist nichts ohne das, was bloß durch | ||||||
29 | meinen Willen etwas ist; aber woher bin ich denn? Hier sinkt alles | ||||||
30 | unter uns, und die größte Vollkommenheit, wie die kleinste schwebt ohne | ||||||
31 | Haltung bloß vor der speculativen Vernunft, der es nichts kostet, die eine | ||||||
32 | so wie die andere ohne die mindeste Hinderniß verschwinden zu lassen. | ||||||
33 | Viele Kräfte der Natur, die ihr Dasein durch gewisse Wirkungen | ||||||
34 | äußern, bleiben für uns unerforschlich; denn wir können ihnen durch Beobachtung | ||||||
35 | nicht weit genug nachspüren. Das den Erscheinungen zum | ||||||
36 | Grunde liegende transscendentale Object und mit demselben der Grund, | ||||||
37 | warum unsere Sinnlichkeit diese vielmehr als andere oberste Bedingungen | ||||||
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