Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 403

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Der Begriff eines höchsten Wesens ist eine in mancher Absicht sehr      
  02 nützliche Idee; sie ist aber eben darum, weil sie bloß Idee ist, ganz unfähig,      
  03 um vermittelst ihrer allein unsere Erkenntniß in Ansehung dessen,      
  04 was existirt, zu erweitern. Sie vermag nicht einmal so viel, daß sie uns      
  05 in Ansehung der Möglichkeit eines mehreren belehrte. Das analytische      
  06 Merkmal der Möglichkeit, das darin besteht, daß bloße Positionen (Realitäten)      
  07 keinen Widerspruch erzeugen, kann ihm zwar nicht gestritten werden;      
  08 da aber die Verknüpfung aller realen Eigenschaften in einem Dinge      
  09 eine Synthesis ist, über deren Möglichkeit wir a priori nicht urtheilen      
  10 können, weil uns die Realitäten specifisch nicht gegeben sind, und, wenn      
  11 dieses auch geschähe, überall gar kein Urtheil darin stattfindet, weil das      
  12 Merkmal der Möglichkeit synthetischer Erkenntnisse immer nur in der Erfahrung      
  13 gesucht werden muß, zu welcher aber der Gegenstand einer Idee      
  14 nicht gehören kann: so hat der berühmte Leibniz bei weitem das nicht      
  15 geleistet, wessen er sich schmeichelte, nämlich eines so erhabenen idealischen      
  16 Wesens Möglichkeit a priori einsehen zu wollen.      
           
  17 Es ist also an dem so berühmten ontologischen (cartesianischen) Beweise      
  18 vom Dasein eines höchsten Wesens aus Begriffen alle Mühe und      
  19 Arbeit verloren, und ein Mensch möchte wohl eben so wenig aus bloßen      
  20 Ideen an Einsichten reicher werden, als ein Kaufmann an Vermögen,      
  21 wenn er, um seinen Zustand zu verbessern, seinem Cassenbestande einige      
  22 Nullen anhängen wollte.      
           
  23
Des dritten Hauptstücks
     
           
  24
Fünfter Abschnitt.
     
  25
Von der Unmöglichkeit eines kosmologischen Beweises
     
  26
vom Dasein Gottes.
     
           
  27 Es war etwas ganz Unnatürliches und eine bloße Neuerung des      
  28 Schulwitzes, aus einer ganz willkürlich entworfenen Idee das Dasein des      
  29 ihr entsprechenden Gegenstandes selbst ausklauben zu wollen. In der      
  30 That würde man es nie auf diesem Wege versucht haben, wäre nicht das      
  31 Bedürfniß unserer Vernunft, zur Existenz überhaupt irgend etwas Nothwendiges      
  32 (bei dem man im Aufsteigen stehen bleiben könne) anzunehmen,      
           
     

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