Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 400

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 begriffen: also liegt das Dasein in dem Begriffe von einem Möglichen.      
  02 Wird dieses Ding nun aufgehoben, so wird die innere Möglichkeit des      
  03 Dinges aufgehoben, welches widersprechend ist.      
           
  04 Ich antworte: Ihr habt schon einen Widerspruch begangen, wenn ihr      
  05 in den Begriff eines Dinges, welches ihr lediglich seiner Möglichkeit nach      
  06 denken wolltet, es sei unter welchem versteckten Namen, schon den Begriff      
  07 seiner Existenz hinein brachtet. Räumt man euch dieses ein, so habt ihr      
  08 dem Scheine nach gewonnen Spiel, in der That aber nichts gesagt; denn      
  09 ihr habt eine bloße Tautologie begangen. Ich frage euch, ist der Satz:      
  10 dieses oder jenes Ding (welches ich euch als möglich einräume, es      
  11 mag sein, welches es wolle) existirt; ist, sage ich, dieser Satz ein analytischer      
  12 oder synthetischer Satz? Wenn er das erstere ist, so thut ihr durch      
  13 das Dasein des Dinges zu eurem Gedanken von dem Dinge nichts hinzu;      
  14 aber alsdann müßte entweder der Gedanke, der in euch ist, das Ding      
  15 selber sein, oder ihr habt ein Dasein als zur Möglichkeit gehörig vorausgesetzt      
  16 und alsdann das Dasein dem Vorgeben nach aus der inneren Möglichkeit      
  17 geschlossen, welches nichts als eine elende Tautologie ist. Das      
  18 Wort: Realität, welches im Begriffe des Dinges anders klingt, als Existenz      
  19 im Begriffe des Prädicats, macht es nicht aus. Denn wenn ihr      
  20 auch alles Setzen (unbestimmt, was ihr setzt) Realität nennt, so habt ihr      
  21 das Ding schon mit allen seinen prädicaten im Begriffe des Subjects      
  22 gesetzt und als wirklich angenommen, und im Prädicate wiederholt ihr es      
  23 nur. Gesteht ihr dagegen, wie es billigermaßen jeder Vernünftige gestehen      
  24 muß, daß ein jeder Existenzialsatz synthetisch sei: wie wollet ihr denn behaupten,      
  25 daß das Prädicat der Existenz sich ohne Widerspruch nicht aufheben      
  26 lasse? Da dieser Vorzug nur den analytischen, als deren Charakter      
  27 eben darauf beruht, eigenthümlich zukommt.      
           
  28 Ich würde zwar hoffen, diese grüblerische Argutation ohne allen Umschweif      
  29 durch eine genaue Bestimmung des Begriffs der Existenz zu nichte      
  30 zu machen, wenn ich nicht gefunden hätte, daß die Illusion in Verwechselung      
  31 eines logischen Prädicats mit einem realen (d. i. der Bestimmung      
           
     

[ Seite 399 ] [ Seite 401 ] [ Inhaltsverzeichnis ]