Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 386 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | es an jener gesammten Möglichkeit hat, seine eigene Möglichkeit ableite*). | ||||||
02 | Das Principium der durchgängigen Bestimmung betrifft also den Inhalt | ||||||
03 | und nicht bloß die logische Form. Es ist der Grundsatz der Synthesis aller | ||||||
04 | Prädicate, die den vollständigen Begriff von einem Dinge machen sollen, | ||||||
05 | und nicht bloß der analytischen Vorstellung durch eines zweier entgegengesetzten | ||||||
06 | Prädicate, und enthält eine transscendentale Voraussetzung, nämlich | ||||||
07 | die der Materie zu aller Möglichkeit, welche a priori die Data zur | ||||||
08 | besonderen Möglichkeit jedes Dinges enthalten soll. | ||||||
09 | Der Satz: alles Existirende ist durchgängig bestimmt, bedeutet | ||||||
10 | nicht allein, daß von jedem Paare einander entgegengesetzter gegebenen, | ||||||
11 | sondern auch von allen möglichen Prädicaten ihm immer eines | ||||||
12 | zukomme; es werden durch diesen Satz nicht bloß Prädicate unter einander | ||||||
13 | logisch, sondern das Ding selbst mit dem Inbegriffe aller möglichen Prädicate | ||||||
14 | transscendental verglichen. Er will so viel sagen als: um ein Ding | ||||||
15 | vollständig zu erkennen, muß man alles Mögliche erkennen und es dadurch, | ||||||
16 | es sei bejahend oder verneinend, bestimmen. Die durchgängige Bestimmung | ||||||
17 | ist folglich ein Begriff, den wir niemals in concreto seiner Totalität | ||||||
18 | nach darstellen können, und gründet sich also auf einer Idee, welche | ||||||
19 | lediglich in der Vernunft ihren Sitz hat, die dem Verstande die Regel seines | ||||||
20 | vollständigen Gebrauchs vorschreibt. | ||||||
21 | Ob nun zwar diese Idee von dem Inbegriffe aller Möglichkeit, | ||||||
22 | so fern er als Bedingung der durchgängigen Bestimmung eines jeden Dinges | ||||||
23 | zum Grunde liegt, in Ansehung der Prädicate, die denselben ausmachen | ||||||
24 | mögen, selbst noch unbestimmt ist, und wir dadurch nichts weiter als einen | ||||||
25 | Inbegriff aller möglichen Prädicate überhaupt denken, so finden wir doch | ||||||
26 | bei näherer Untersuchung, daß diese Idee als Urbegriff eine Menge von | ||||||
27 | Prädicaten ausstoße, die als abgeleitet durch andere schon gegeben sind, | ||||||
28 | oder neben einander nicht stehen können, und daß sie sich bis zu einem | ||||||
*) Es wird also durch diesen Grundsatz jedes Ding auf ein gemeinschaftliches Correlatum, nämlich die gesammte Möglichkeit, bezogen, welche, wenn sie (d. i. der Stoff zu allen möglichen Prädicaten) in der Idee eines einzigen Dinges angetroffen würde, eine Affinität alles Möglichen durch die Identität des Grundes der durchgängigen Bestimmungen desselben beweisen würde. Die Bestimmbarkeit eines jeden Begriffs ist der Allgemeinheit ( Universalitas ) des Grundsatzes der Ausschließung eines Mittleren zwischen zwei entgegengesetzten Prädicaten, die Bestimmung aber eines Dinges der Allheit ( Universitas ) oder dem Inbegriffe aller möglichen Prädicate untergeordnet. | |||||||
[ Seite 385 ] [ Seite 387 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |