Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 358 |
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Text (Kant):
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| 01 | würde nur alsdann gegeben sein, wenn der Regressus bis zu einfachen | ||||||
| 02 | Theilen gelangen könnte. Sind aber alle Theile in einer continuirlich | ||||||
| 03 | fortgehenden Decomposition immer wiederum theilbar, so geht die Theilung, | ||||||
| 04 | d. i. der Regressus, von dem Bedingten zu seinen Bedingungen in | ||||||
| 05 | infinitum : weil die Bedingungen (die Theile) in dem Bedingten selbst enthalten | ||||||
| 06 | sind und, da dieses in einer zwischen seinen Gränzen eingeschlossenen | ||||||
| 07 | Anschauung ganz gegeben ist, insgesammt auch mit gegeben sind. Der | ||||||
| 08 | Regressus darf also nicht bloß ein Rückgang in indefinitum genannt werden, | ||||||
| 09 | wie es die vorige kosmologische Idee allein erlaubte, da ich vom Bedingten | ||||||
| 10 | zu seinen Bedingungen, die außer demselben, mithin nicht dadurch | ||||||
| 11 | zugleich mit gegeben waren, sondern die im empirischen Regressus allererst | ||||||
| 12 | hinzu kamen, fortgehen sollte. Diesem ungeachtet ist es doch keinesweges | ||||||
| 13 | erlaubt, von einem solchen Ganzen, das ins Unendliche theilbar ist, | ||||||
| 14 | zu sagen: es bestehe aus unendlich viel Theilen. Denn obgleich alle | ||||||
| 15 | Theile in der Anschauung des Ganzen enthalten sind, so ist doch darin | ||||||
| 16 | nicht die ganze Theilung enthalten, welche nur in der fortgehenden | ||||||
| 17 | Decomposition oder dem Regressus selbst besteht, der die Reihe allererst | ||||||
| 18 | wirklich macht. Da dieser Regressus nun unendlich ist, so sind zwar alle | ||||||
| 19 | Glieder (Theile), zu denen er gelangt, in dem gegebenen Ganzen als | ||||||
| 20 | Aggregate enthalten, aber nicht die ganze Reihe der Theilung, welche | ||||||
| 21 | successiv unendlich und niemals ganz ist, folglich keine unendliche Menge | ||||||
| 22 | und keine Zusammennehmung derselben in einem Ganzen darstellen kann. | ||||||
| 23 | Die allgemeine Erinnerung läßt sich zuerst sehr leicht auf den Raum | ||||||
| 24 | anwenden. Ein jeder in seinen Gränzen angeschaute Raum ist ein solches | ||||||
| 25 | Ganzes, dessen Theile bei aller Decomposition immer wiederum Räume | ||||||
| 26 | sind, und ist daher ins Unendliche theilbar. | ||||||
| 27 | Hieraus folgt auch ganz natürlich die zweite Anwendung, auf eine | ||||||
| 28 | in ihren Gränzen eingeschlossene äußere Erscheinung (Körper). Die Theilbarkeit | ||||||
| 29 | desselben gründet sich auf die Theilbarkeit des Raumes, der die | ||||||
| 30 | Möglichkeit des Körpers als eines ausgedehnten Ganzen ausmacht. Dieser | ||||||
| 31 | ist also ins Unendliche theilbar, ohne doch darum aus unendlich viel Theilen | ||||||
| 32 | zu bestehen. | ||||||
| 33 | Es scheint zwar: daß, da ein Körper als Substanz im Raume vorgestellt | ||||||
| 34 | werden muß, er, was das Gesetz der Theilbarkeit des Raumes betrifft, | ||||||
| 35 | hierin von diesem unterschieden sein werde; denn man kann es | ||||||
| 36 | allenfalls wohl zugeben: daß die Decomposition im letzteren niemals alle | ||||||
| 37 | Zusammensetzung wegschaffen könne, indem alsdann sogar aller Raum, | ||||||
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