Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 352 |
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01 | unbestimmbare Weite der Aufsuchung mehrerer Glieder zu den gegebenen, | ||||||
02 | die wiederum jederzeit nur bedingt gegeben sind. | ||||||
03 | In keinem von beiden Fällen, sowohl dem regressus in infinitum , | ||||||
04 | als dem in indefinitum , wird die Reihe der Bedingungen als unendlich im | ||||||
05 | Object gegeben angesehen. Es sind nicht Dinge, die an sich selbst, sondern | ||||||
06 | nur Erscheinungen, die als Bedingungen von einander nur im Regressus | ||||||
07 | selbst gegeben werden. Also ist die Frage nicht mehr: wie groß diese Reihe | ||||||
08 | der Bedingungen an sich selbst sei, ob endlich oder unendlich, denn sie ist | ||||||
09 | nichts an sich selbst, sondern: wie wir den empirischen Regressus anstellen, | ||||||
10 | und wie weit wir ihn fortsetzen sollen. Und da ist denn ein namhafter | ||||||
11 | Unterschied in Ansehung der Regel dieses Fortschritts. Wenn das Ganze | ||||||
12 | empirisch gegeben worden, so ist es möglich, ins Unendliche in der | ||||||
13 | Reihe seiner inneren Bedingungen zurück zu gehen. Ist jenes aber nicht | ||||||
14 | gegeben, sondern soll durch empirischen Regressus allererst gegeben werden, | ||||||
15 | so kann ich nur sagen: es ist ins Unendliche möglich, zu noch höheren | ||||||
16 | Bedingungen der Reihe fortzugehen. Im ersteren Falle konnte ich sagen: | ||||||
17 | es sind immer mehr Glieder da und empirisch gegeben, als ich durch den | ||||||
18 | Regressus (der Decomposition) erreiche; im zweiten aber: ich kann im Regressus | ||||||
19 | noch immer weiter gehen, weil kein Glied als schlechthin unbedingt | ||||||
20 | empirisch gegeben ist und also noch immer ein höheres Glied als möglich | ||||||
21 | und mithin die Nachfrage nach demselben als nothwendig zuläßt. Dort | ||||||
22 | war es nothwendig, mehr Glieder der Reihe anzutreffen, hier aber ist | ||||||
23 | es immer nothwendig, nach mehreren zu fragen, weil keine Erfahrung | ||||||
24 | absolut begrenzt. Denn ihr habt entweder keine Wahrnehmung, die euren | ||||||
25 | empirischen Regressus schlechthin begrenzt, und dann müßt ihr euren Regressus | ||||||
26 | nicht für vollendet halten, oder habt eine solche eure Reihe begrenzende | ||||||
27 | Wahrnehmung, so kann diese nicht ein Theil eurer zurückgelegten | ||||||
28 | Reihe sein (weil das, was begrenzt, von dem, was dadurch begrenzt | ||||||
29 | wird, unterschieden sein muß), und ihr müßt also euren Regressus auch | ||||||
30 | zu dieser Bedingung weiter fortsetzen und so fortan. | ||||||
31 | Der folgende Abschnitt wird diese Bemerkungen durch ihre Anwendung | ||||||
32 | in ihr gehöriges Licht setzen. | ||||||
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