Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 295 |
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01 | Der Antinomie der reinen Vernunft |
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02 | Erster Widerstreit der transscendentalen Ideen. |
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03 | Antithesis. |
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04 | Die Welt hat keinen Anfang und keine Grenzen im Raume, sondern | ||||||
05 | ist sowohl in Ansehung der Zeit als des Raums unendlich. | ||||||
06 | Beweis. |
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07 | Denn man setze: sie habe einen Anfang. Da der Anfang ein Dasein | ||||||
08 | ist, wovor eine Zeit vorhergeht, darin das Ding nicht ist, so muß eine Zeit | ||||||
09 | vorhergegangen sein, darin die Welt nicht war, d. i. eine leere Zeit. Nun | ||||||
10 | ist aber in einer leeren Zeit kein Entstehen irgend eines Dinges möglich: | ||||||
11 | weil kein Theil einer solchen Zeit vor einem anderen irgend eine unterscheidende | ||||||
12 | Bedingung des Daseins vor die des Nichtseins an sich hat (man | ||||||
13 | mag annehmen, daß sie von sich selbst, oder durch eine andere Ursache entstehe). | ||||||
14 | Also kann zwar in der Welt manche Reihe der Dinge anfangen, | ||||||
15 | die Welt selber aber kann keinen Anfang haben, und ist also in Ansehung | ||||||
16 | der vergangenen Zeit unendlich. | ||||||
17 | Was das zweite betrifft, so nehme man zuvörderst das Gegentheil an, | ||||||
18 | daß nämlich die Welt dem Raume nach endlich und begrenzt ist: so befindet | ||||||
19 | sie sich in einem leeren Raum, der nicht begrenzt ist. Es würde | ||||||
20 | also nicht allein ein Verhältniß der Dinge im Raum, sondern auch der | ||||||
21 | Dinge zum Raume angetroffen werden. Da nun die Welt ein absolutes | ||||||
22 | Ganzes ist, außer welchem kein Gegenstand der Anschauung und mithin | ||||||
23 | kein Correlatum der Welt angetroffen wird, womit dieselbe im Verhältniß | ||||||
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