Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 284 |
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Text (Kant):
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| 01 | diesen Folgen die Rede ist. Denn Bedingungen sind in Ansehung des | ||||||
| 02 | gegebenen Bedingten schon vorausgesetzt und mit diesem auch als gegeben | ||||||
| 03 | anzusehen, anstatt daß, da die Folgen ihre Bedingungen nicht möglich | ||||||
| 04 | machen, sondern vielmehr voraussetzen, man im Fortgange zu den Folgen | ||||||
| 05 | (oder im Absteigen von der gegebenen Bedingung zu dem Bedingten) unbekümmert | ||||||
| 06 | sein kann, ob die Reihe aufhöre oder nicht, und überhaupt die | ||||||
| 07 | Frage wegen ihrer Totalität gar keine Voraussetzung der Vernunft ist. | ||||||
| 08 | So denkt man sich nothwendig eine bis auf den gegebenen Augenblick | ||||||
| 09 | völlig abgelaufene Zeit auch als gegeben (wenn gleich nicht durch uns bestimmbar). | ||||||
| 10 | Was aber die künftige betrifft, da sie die Bedingung nicht ist, | ||||||
| 11 | zu der Gegenwart zu gelangen, so ist es, um diese zu begreifen, ganz | ||||||
| 12 | gleichgültig, wie wir es mit der künftigen Zeit halten wollen, ob man sie | ||||||
| 13 | irgendwo aufhören, oder ins Unendliche laufen lassen will. Es sei die | ||||||
| 14 | Reihe m, n, o, worin n als bedingt in Ansehung m, aber zugleich als Bedingung | ||||||
| 15 | von o gegeben ist; die Reihe gehe aufwärts von dem Bedingten n | ||||||
| 16 | zu m (l, k, i etc.), im gleichen abwärts von der Bedingung n zum Bedingten | ||||||
| 17 | o (p, q, r etc.): so muß ich die erstere Reihe voraussetzen, um n als gegeben | ||||||
| 18 | anzusehen, und n ist nach der Vernunft (der Totalität der Bedingungen) | ||||||
| 19 | nur vermittelst jener Reihe möglich, seine Möglichkeit beruht aber nicht | ||||||
| 20 | auf der folgenden Reihe o, p, q, r, die daher auch nicht als gegeben, sondern | ||||||
| 21 | nur als dabilis angesehen werden könnte. | ||||||
| 22 | Ich will die Synthesis einer Reihe auf der Seite der Bedingungen, | ||||||
| 23 | also von derjenigen an, welche die nächste zur gegebenen Erscheinung ist, | ||||||
| 24 | und so zu den entfernteren Bedingungen, die regressive, diejenige aber, | ||||||
| 25 | die auf der Seite des Bedingten von der nächsten Folge zu den entfernteren | ||||||
| 26 | fortgeht, die progressive Synthesis nennen. Die erstere geht in | ||||||
| 27 | antecedentia , die zweite in consequentia . Die kosmologischen Ideen also | ||||||
| 28 | beschäftigen sich mit der Totalität der regressiven Synthesis und gehen in | ||||||
| 29 | antecedentia , nicht in consequentia . Wenn dieses letztere geschieht, so ist | ||||||
| 30 | es ein willkürliches und nicht nothwendiges Problem der reinen Vernunft, | ||||||
| 31 | weil wir zur vollständigen Begreiflichkeit dessen, was in der Erscheinung | ||||||
| 32 | gegeben ist, wohl der Gründe, nicht aber der Folgen bedürfen. | ||||||
| 33 | Um nun nach der Tafel der Kategorien die Tafel der Ideen einzurichten, | ||||||
| 34 | so nehmen wir zuerst die zwei ursprünglichen Quanta aller unserer | ||||||
| 35 | Anschauung, Zeit und Raum. Die Zeit ist an sich selbst eine Reihe (und | ||||||
| 36 | die formale Bedingung aller Reihen), und daher sind in ihr in Ansehung | ||||||
| 37 | einer gegebenen Gegenwart die antecedentia als Bedingungen (das Vergangene) | ||||||
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