Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 262 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | Begriff habe. Diesen dialektischen Schluß werde ich den transscendentalen | ||||||
02 | Paralogismus nennen. Die zweite Classe der vernünftelnden Schlüsse | ||||||
03 | ist auf den transscendentalen Begriff der absoluten Totalität der Reihe | ||||||
04 | der Bedingungen zu einer gegebenen Erscheinung überhaupt angelegt; | ||||||
05 | und ich schließe daraus, daß ich von der unbedingten synthetischen Einheit | ||||||
06 | der Reihe auf einer Seite jederzeit einen sich selbst widersprechenden Begriff | ||||||
07 | habe, auf die Richtigkeit der entgegenstehenden Einheit, wovon ich | ||||||
08 | gleichwohl auch keinen Begriff habe. Den Zustand der Vernunft bei diesen | ||||||
09 | dialektischen Schlüssen werde ich die Antinomie der reinen Vernunft | ||||||
10 | nennen. Endlich schließe ich nach der dritten Art vernünftelnder Schlüsse | ||||||
11 | von der Totalität der Bedingungen, Gegenstände überhaupt, so fern sie | ||||||
12 | mir gegeben werden können, zu denken, auf die absolute synthetische Einheit | ||||||
13 | aller Bedingungen der Möglichkeit der Dinge überhaupt, d. i. von | ||||||
14 | Dingen, die ich nach ihrem bloßen transscendentalen Begriff nicht kenne, | ||||||
15 | auf ein Wesen aller Wesen, welches ich durch einen transscendenten Begriff | ||||||
16 | noch weniger kenne, und von dessen unbedingter Nothwendigkeit ich | ||||||
17 | mir keinen Begriff machen kann. Diesen dialektischen Vernunftschluß | ||||||
18 | werde ich das Ideal der reinen Vernunft nennen. | ||||||
19 | Des |
||||||
20 | Zweiten Buchs der transscendentalen Dialektik |
||||||
21 | Erstes Hauptstück. |
||||||
22 | Von den Paralogismen der reinen Vernunft. |
||||||
23 | Der logische Paralogismus besteht in der Falschheit eines Vernunftschlusses | ||||||
24 | der Form nach, sein Inhalt mag übrigens sein, welcher er wolle. | ||||||
25 | Ein transscendentaler Paralogismus aber hat einen transscendentalen | ||||||
26 | Grund, der Form nach falsch zu schließen. Auf solche Weise wird ein dergleichen | ||||||
27 | Fehlschluß in der Natur der Menschenvernunft seinen Grund haben | ||||||
28 | und eine unvermeidliche, obzwar nicht unauflösliche Illusion bei sich | ||||||
29 | führen. | ||||||
30 | Jetzt kommen wir auf einen Begriff, der oben in der allgemeinen Liste | ||||||
31 | der transscendentalen Begriffe nicht verzeichnet worden und dennoch dazu | ||||||
32 | gezählt werden muß, ohne doch darum jene Tafel im mindesten zu verändern | ||||||
33 | und für mangelhaft zu erklären. Dieses ist der Begriff oder, wenn man | ||||||
[ Seite 261 ] [ Seite 263 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |