Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 229 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | Anschauung nichts Äußeres, dem nicht etwas Schlechthin=Innerliches | ||||||
02 | zum Grunde läge. Denn wenn wir von allen Bedingungen der Anschauung | ||||||
03 | abstrahirt haben, so bleibt uns freilich im bloßen Begriffe nichts | ||||||
04 | übrig, als das Innre überhaupt und das Verhältniß desselben unter einander, | ||||||
05 | wodurch allein das Äußere möglich ist. Diese Nothwendigkeit aber, | ||||||
06 | die sich allein auf Abstraction gründet, findet nicht bei den Dingen statt, | ||||||
07 | so fern sie in der Anschauung mit solchen Bestimmungen gegeben werden, | ||||||
08 | die bloße Verhältnisse ausdrücken, ohne etwas Inneres zum Grunde zu | ||||||
09 | haben, darum weil sie nicht Dinge an sich selbst, sondern lediglich Erscheinungen | ||||||
10 | sind. Was wir auch nur an der Materie kennen, sind lauter Verhältnisse | ||||||
11 | (das, was wir innre Bestimmungen derselben nennen, ist nur | ||||||
12 | comparativ innerlich); aber es sind darunter selbstständige und beharrliche, | ||||||
13 | dadurch uns ein bestimmter Gegenstand gegeben wird. Daß ich, | ||||||
14 | wenn ich von diesen Verhältnissen abstrahire, gar nichts weiter zu denken | ||||||
15 | habe, hebt den Begriff von einem Dinge als Erscheinung nicht auf, auch | ||||||
16 | nicht den Begriff von einem Gegenstande in abstracto , wohl aber alle | ||||||
17 | Möglichkeit eines solchen, der nach bloßen Begriffen bestimmbar ist, d. i. | ||||||
18 | eines Noumenon. Freilich macht es stutzig, zu hören, daß ein Ding ganz | ||||||
19 | und gar aus Verhältnissen bestehen solle, aber ein solches Ding ist auch | ||||||
20 | bloße Erscheinung und kann gar nicht durch reine Kategorien gedacht | ||||||
21 | werden; es besteht selbst in dem bloßen Verhältnisse von Etwas überhaupt | ||||||
22 | zu den Sinnen. Eben so kann man die Verhältnisse der Dinge in abstracto , | ||||||
23 | wenn man es mit bloßen Begriffen anfängt, wohl nicht anders | ||||||
24 | denken, als daß eines die Ursache von Bestimmungen in dem andern sei; | ||||||
25 | denn das ist unser Verstandesbegriff von Verhältnissen selbst. Allein da | ||||||
26 | wir alsdann von aller Anschauung abstrahiren, so fällt eine ganze Art, | ||||||
27 | wie das Mannigfaltige einander seinen Ort bestimmen kann, nämlich die | ||||||
28 | Form der Sinnlichkeit (der Raum), weg, der doch vor aller empirischen | ||||||
29 | Causalität vorhergeht. | ||||||
30 | Wenn wir unter bloß intelligibelen Gegenständen diejenigen Dinge | ||||||
31 | verstehen, die durch reine Kategorien ohne alles Schema der Sinnlichkeit | ||||||
32 | gedacht werden, so sind dergleichen unmöglich. Denn die Bedingung des | ||||||
33 | objectiven Gebrauchs aller unserer Verstandesbegriffe ist bloß die Art unserer | ||||||
34 | sinnlichen Anschauung, wodurch uns Gegenstände gegeben werden, | ||||||
35 | und wenn wir von der letzteren abstrahiren, so haben die erstern gar keine | ||||||
36 | Beziehung auf irgend ein Object. Ja wenn man auch eine andere Art der | ||||||
37 | Anschauung, als diese unsere sinnliche ist, annehmen wollte, so würden | ||||||
[ Seite 228 ] [ Seite 230 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |