Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 192 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | ist zugleich ein unmittelbares Bewußtsein des Daseins anderer Dinge | ||||||
02 | außer mir. | ||||||
03 | Anmerkung 1. Man wird in dem vorhergehenden Beweise gewahr, | ||||||
04 | daß das Spiel, welches der Idealism trieb, ihm mit mehrerem Rechte | ||||||
05 | umgekehrt vergolten wird. Dieser nahm an, daß die einzige unmittelbare | ||||||
06 | Erfahrung die innere sei, und daraus auf äußere Dinge nur geschlossen | ||||||
07 | werde, aber, wie allemal, wenn man aus gegebenen Wirkungen auf bestimmte | ||||||
08 | Ursachen schließt, nur unzuverlässig, weil auch in uns selbst die | ||||||
09 | Ursache der Vorstellungen liegen kann, die wir äußeren Dingen vielleicht | ||||||
10 | fälschlich zuschreiben. Allein hier wird bewiesen, daß äußere Erfahrung | ||||||
11 | eigentlich unmittelbar sei,*) daß nur vermittelst ihrer zwar nicht das Bewußtsein | ||||||
12 | unserer eigenen Existenz, aber doch die Bestimmung derselben | ||||||
13 | in der Zeit, d. i. innere Erfahrung, möglich sei. Freilich ist die Vorstellung: | ||||||
14 | ich bin, die das Bewußtsein ausdrückt, welches alles Denken | ||||||
15 | begleiten kann, das, was unmittelbar die Existenz eines Subjects in sich | ||||||
16 | schließt, aber noch keine Erkenntniß desselben, mithin auch nicht empirische, | ||||||
17 | d. i. Erfahrung; denn dazu gehört außer dem Gedanken von etwas | ||||||
18 | Existirendem noch Anschauung und hier innere, in Ansehung deren, d. i. | ||||||
19 | der Zeit, das Subject bestimmt werden muß, wozu durchaus äußere Gegenstände | ||||||
20 | erforderlich sind, so daß folglich innere Erfahrung selbst nur | ||||||
21 | mittelbar und nur durch äußere möglich ist. | ||||||
22 | Anmerkung 2. Hiemit stimmt nun aller Erfahrungsgebrauch unseres | ||||||
23 | Erkenntnißvermögens in Bestimmung der Zeit vollkommen überein. | ||||||
24 | Nicht allein, daß wir alle Zeitbestimmung nur durch den Wechsel in äußeren | ||||||
25 | Verhältnissen (die Bewegung) in Beziehung auf das Beharrliche im | ||||||
26 | Raume (z. B. Sonnenbewegung in Ansehung der Gegenstände der Erde) | ||||||
27 | wahrnehmen können, so haben wir sogar nichts Beharrliches, was wir | ||||||
*) Das unmittelbare Bewußtsein des Daseins äußerer Dinge wird in dem vorstehenden Lehrsatze nicht vorausgesetzt, sondern bewiesen, die Möglichkeit dieses Bewußtseins mögen wir einsehen, oder nicht. Die Frage wegen der letzteren würde sein: ob wir nur einen inneren Sinn, aber keinen äußeren, sondern bloß äußere Einbildung hätten. Es ist aber klar, daß, um uns auch nur etwas als äußerlich einzubilden, d. i. dem Sinne in der Anschauung darzustellen, wir schon einen äußeren Sinn haben und dadurch die bloße Receptivität einer äußeren Anschauung von der Spontaneität, die jede Einbildung charakterisirt, unmittelbar unterscheiden müssen. Denn sich auch einen äußeren Sinn bloß einzubilden, würde das Anschauungsvermögen, welches durch die Einbildungskraft bestimmt werden soll, selbst vernichten. | |||||||
[ Seite 191 ] [ Seite 193 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |