Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 182 |
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Text (Kant):
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| 01 | wäre jede derselben völlig isolirt, d. i. keine wirkte in die andere | ||||||
| 02 | und empfinge von dieser wechselseitig Einflüsse, so sage ich: daß das Zugleichsein | ||||||
| 03 | derselben kein Gegenstand einer möglichen Wahrnehmung sein | ||||||
| 04 | würde, und daß das Dasein der einen durch keinen Weg der empirischen | ||||||
| 05 | Synthesis auf das Dasein der andern führen könnte. Denn wenn ihr euch | ||||||
| 06 | gedenkt, sie wären durch einen völlig leeren Raum getrennt, so würde die | ||||||
| 07 | Wahrnehmung, die von der einen zur andern in der Zeit fortgeht, zwar | ||||||
| 08 | dieser ihr Dasein vermittelst einer folgenden Wahrnehmung bestimmen, | ||||||
| 09 | aber nicht unterscheiden können, ob die Erscheinung objectiv auf die erstere | ||||||
| 10 | folge, oder mit jener vielmehr zugleich sei. | ||||||
| 11 | Es muß also noch außer dem bloßen Dasein etwas sein, wodurch A | ||||||
| 12 | dem B seine Stelle in der Zeit bestimmt und umgekehrt auch wiederum | ||||||
| 13 | B dem A, weil nur unter dieser Bedingung gedachte Substanzen als zugleich | ||||||
| 14 | existirend empirisch vorgestellt werden können. Nun bestimmt | ||||||
| 15 | nur dasjenige dem andern seine Stelle in der Zeit, was die Ursache von | ||||||
| 16 | ihm oder seinen Bestimmungen ist. Also muß jede Substanz (da sie nur | ||||||
| 17 | in Ansehung ihrer Bestimmungen folge sein kann) die Causalität gewisser | ||||||
| 18 | Bestimmungen in der andern und zugleich die Wirkungen von der Causalität | ||||||
| 19 | der andern in sich enthalten, d. i. sie müssen in dynamischer Gemeinschaft | ||||||
| 20 | (unmittelbar oder mittelbar) stehen, wenn das Zugleichsein in irgend | ||||||
| 21 | einer möglichen Erfahrung erkannt werden soll. Nun ist aber alles dasjenige | ||||||
| 22 | in Ansehung der Gegenstände der Erfahrung nothwendig, ohne welches | ||||||
| 23 | die Erfahrung von diesen Gegenständen selbst unmöglich sein würde. | ||||||
| 24 | Also ist es allen Substanzen in der Erscheinung, so fern sie zugleich sind, | ||||||
| 25 | nothwendig, in durchgängiger Gemeinschaft der Wechselwirkung unter einander | ||||||
| 26 | zu stehen. | ||||||
| 27 | Das Wort Gemeinschaft ist in unserer Sprache zweideutig und kann | ||||||
| 28 | so viel als communio , aber auch als commercium bedeuten. Wir bedienen | ||||||
| 29 | uns hier desselben im letztern Sinn, als einer dynamischen Gemeinschaft, | ||||||
| 30 | ohne welche selbst die locale ( communio spatii ) niemals empirisch erkannt | ||||||
| 31 | werden könnte. Unseren Erfahrungen ist es leicht anzumerken, daß nur | ||||||
| 32 | die continuirlichen Einflüsse in allen Stellen des Raumes unsern Sinn | ||||||
| 33 | von einem Gegenstande zum andern leiten können, daß das Licht, welches | ||||||
| 34 | zwischen unserm Auge und den Weltkörpern spielt, eine mittelbare Gemeinschaft | ||||||
| 35 | zwischen uns und diesen bewirken und dadurch das Zugleichsein | ||||||
| 36 | der letzteren beweisen, daß wir keinen Ort empirisch verändern (diese Veränderung | ||||||
| 37 | wahrnehmen) können, ohne daß uns allerwärts Materie die | ||||||
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